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Die Kartause von Parma

Die Kartause von Parma

Titel: Die Kartause von Parma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stendhal
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Haaren besorgt. Auf die Farbe dieser Perücke, rot wie die Flammen, die sein Herz versengten, machte er ein Sonett, das Fausta entzückend fand. Eine unbekannte Hand sorgte dafür, daß es auf ihrem Klavier lag.
    Dieser Kleinkrieg währte reichlich acht Tage. Fabrizzio fand, daß er trotz seinen mannigfaltigen Vorstößen keine richtigen Fortschritte mache: Fausta gewährte ihm kein Stelldichein. Er übertrieb die seltsamen Verkleidungen. Später gestand ihm Fausta, daß sie Angst vor ihm gehabt habe. Trotzdem ließ Fabrizzio nicht ab; er hegte immer noch einen Rest von Hoffnung, das zu erfahren, was man Liebe nennt; zuweilen freilich langweilte er sich.
    »Monsignore, reisen wir ab!« bat Ludovico immer wieder. »Sie sind kein bißchen verliebt. Ich sehe, Sie sind so kaltblütig und vernünftig, daß Hopfen und Malz verloren ist. Und dann kommen Sie auch gar nicht vorwärts. Ehe wir uns bloßstellen, lieber fort!«
    Im ersten Augenblick der Mißstimmung wäre Fabrizzio beinahe abgereist; da erfuhr er, daß die Fausta im Hause der Duchezza Sanseverina singen werde. »Vielleicht wird ihre erhabene Stimme mein Herz endlich entflammen«, sagte er sich und unternahm es tatsächlich, verkleidet inden Palast einzudringen, wo ihn aller Augen kannten. Man kann sich die Aufregung der Duchezza vorstellen, als sie gegen Ende des Konzertes mit einem Male einen Menschen in Jägertracht dicht an der Tür des großen Saales bemerkte, dessen Art und Weise sie an einen gewissen Jemand erinnerte. Sie winkte den Grafen Mosca heran, der ihr jetzt erst den großartigen und wirklich unglaublich tollen Streich Fabrizzios mitteilte. Er faßte die Geschichte durchaus heiter auf. Diese Liebe zu einer anderen als der Duchezza gefiel ihm über die Maßen. Durch und durch ritterlich, wie der Graf war, wenn es sich nicht um Politik drehte, pflegte er nach dem Grundsatz zu handeln, daß er nur dann glücklich sein könne, wenn es die Duchezza auch sei. »Ich werde ihn vor sich selbst schützen«, beruhigte er seine Freundin. »Bedenken Sie, wie sich unsere Feinde freuten, wenn man ihn in diesem Palais verhaftete. Ich habe mehr als hundert Mann in der nächsten Nähe. Deshalb ließ ich Sie auch um die Schlüssel zum großen Wasserbehälter bitten. Fabrizzio tut, als sei er toll verliebt in die Fausta, aber bis jetzt ist es ihm nicht gelungen, sie dem Grafen Martinengo abspenstig zu machen, der dieser Närrin das Dasein einer Königin gewährt.«
    Das Antlitz der Duchezza verriet den tiefsten Schmerz: Fabrizzio war also doch nur ein leichtsinniger Mensch, keiner zärtlichen und ernsthaften Empfindung fähig! »Und mir keinen Besuch zu machen,« sagte sie schließlich, »mir, die ich ihm tagtäglich nach Bologna geschrieben habe!«
    »Ich rechne ihm diese Zurückhaltung sehr hoch an«, entgegnete der Graf. »Er will uns mit seinen losen Geschichten nicht gefährden. Ich freue mich schon darauf, ihn hinterher erzählen zu hören.«
    Fausta war viel zu närrisch, über das, was sie beschäftigte, schweigen zu können. Während des Konzertes verrieten ihre Blicke, daß alle ihre Arien dem schlanken jungen Mann in Jägertracht galten; und tags darauf erzähltesie dem Grafen Martinengo von einem aufmerksamen Unbekannten.
    »Wo haben Sie ihn gesehen?« fragte der Graf wütend.
    »Auf der Straße, in der Kirche...«, antwortete Fausta verlegen. Sie wollte ihre Unvorsichtigkeit wieder gutmachen oder wenigstens alles tun, um Martinengos Augenmerk von Fabrizzio abzulenken. Sie verlor sich in die endlose Beschreibung eines schlanken jungen Mannes mit roten Haaren und blauen Augen; ohne Zweifel sei es irgendein steinreicher und sehr linkischer Engländer oder irgendein Fürst. Dieses letzte Wort hatte zur Folge, daß der Graf, der alles für bare Münze nahm, sich einbildete – und das war etwas Köstliches für seine Eitelkeit –, sein Nebenbuhler sei kein anderer als der Erbprinz von Parma. Dieser arme junge Kopfhänger in der Obhut seiner fünf oder sechs Erzieher, Hofmeister und Präzeptoren, die ihn nur nach gemeinsamer Beratung ausgehen ließen, pflegte allerdings allen leidlich hübschen Frauen, in deren Nähe zu kommen ihm erlaubt war, sonderbare Blicke zu widmen. Im Konzert bei der Duchezza hatte er, seinem Rang gemäß, einen Platz vor allen Zuhörern, in einem einzeln stehenden Lehnstuhl, drei Schritt von der schönen Fausta entfernt, und seine Blicke hatten den Grafen Martinengo höchlichst geärgert. Dieser ausgesucht eitle Wahn, er habe einen

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