Die Kartause von Parma
Prinzen zum Nebenbuhler, machte der Fausta unbändigen Spaß; sie suchte ein Vergnügen darin, den Grafen durch tausend hingeworfene Einzelheiten in seiner Vermutung zu bestärken.
»Ist Ihre Familie«, fragte sie den Grafen, »ebenso alt wie die der Farnesen [Pier Luigi Farnese, der erste Souverän aus der Familie Farnese, der 1545 zum Herzog von Parma und Piacenza erhoben ward und wegen seines Lebenswandels einen üblen Ruf genoß, ist bekanntlich ein natürlicher Sohn Seiner Heiligkeit des Papstes Paul III. (Alessandro Farnese). Er wurde 1547 ermordet.] , der dieser junge Mann angehört ?«
»Was meinen Sie? Ebenso alt? Ich, ich habe keine Bastarde unter meinen Ahnen!«
Der Zufall fügte es, daß der Graf Martinengo seinen vermeintlichen Nebenbuhler niemals zu Gesicht bekommen konnte, was ihn erst recht in seinem schmeichelhaften Wahn förderte, einen Prinzen zum Widersacher zu haben. Dazu kam, daß Fabrizzio, sobald er seines Planeswegen nicht unbedingt an Parma gefesselt war, sich in den Wäldern bei Sacca und an den Ufern des Po aufhielt. Graf Martinengo wurde noch einmal so stolz, aber auch ebenso vorsichtig, seitdem er sich einbildete, mit einem Prinzen um Faustas Herz zu ringen. In vollem Ernst bat er sie, bei allem, was sie tue, sich der größten Zurückhaltung zu befleißigen. In seiner eifersüchtigen und leidenschaftlichen Liebe fiel er vor ihr auf die Kniee und setzte ihr klar und deutlich auseinander, es sei ihm Ehrensache, daß sie sich nicht von dem jungen Prinzen betören lasse.
»Erlauben Sie, ich wäre nicht betört, wenn ich ihn liebte. Ich habe nie einen Prinzen mir zu Füßen gehabt.«
»Wenn Sie ihm nachgeben,« entgegnete er mit einem hochmütigen Blick, »kann ich mich vielleicht nicht am Prinzen rächen, aber rächen werde ich mich sicherlich.«
Damit ging er und warf die Tür hinter sich mit aller Gewalt zu. Wäre Fabrizzio in diesem Augenblick zur Stelle gewesen, so hätte er seine Sache gewonnen.
»Wenn Ihnen Ihr Leben lieb ist,« sagte Martinengo zu ihr am Abend, als er nach dem Theater von ihr ging, »so lassen Sie mich nie hören, daß der junge Prinz in Ihr Haus gedrungen ist. Ich kann ihm nichts anhaben, beim Teufel, aber vergessen Sie nicht, daß ich Ihnen alles antun kann!«
»O mein kleiner Fabrizzio,» dachte Fausta, »wenn ich nur wüßte, wo ich dich finden könnte!«
Bei einem reichen jungen Manne, der von seiner Wiege an immer von Schmeichlern umgeben war, ist die verletzte Eitelkeit besonders heftig. Die durch und durch echte Leidenschaft, die der Graf Martinengo für Fausta hegte, steigerte sich bis zur Raserei. Sie wurde keineswegs durch die gefährliche Aussicht gehemmt, mit dem einzigen Sohne des Fürsten, in dessen Land er sich aufhielt, in Streit zu geraten. Aber er hatte auch nicht Unternehmungsgeist genug, zu versuchen, dieses Prinzen ansichtig zu werden oder ihn wenigstens beobachten zu lassen.Da er ihm sonst nichts Ernstliches antun konnte, kam er auf den kühnen Gedanken, ihn lächerlich zu machen. »Ich werde für ewige Zeiten aus den Parmaer Landen verwiesen«, sagte er sich. »Nun, was tuts?«
Wenn der Graf Martinengo sich bemüht hätte, die feindliche Stellung ordentlich zu erkunden, so hätte er erfahren, daß der arme junge Prinz niemals ausging, außer in Begleitung von drei bis vier Mummelgreisen, langweiligen Hütern der Etikette, und daß das einzige selbstgewählte Vergnügen, das man ihm hienieden gestattete, die Mineralogie war.
Der kleine Palazzo, den die Fausta bewohnte und der ein Treffpunkt der guten Gesellschaft geworden war, wurde Tag und Nacht von Beobachtern umlagert. Der Graf Martinengo wußte Stunde für Stunde, was sie tat, und besonders, was um sie her geschah. Lobenswert war an diesen Vorsichtsmaßregeln des Eifersüchtigen, daß das so launenhafte Weib zunächst keine Ahnung von der verdoppelten Überwachung hatte. Die Berichte aller seiner Aufpasser meldeten dem Grafen, daß ein sehr junger Mann mit einer roten Perücke Fausta tagtäglich Fensterpromenaden mache, aber in immer anderer Verkleidung. »Augenscheinlich der Erbprinz!« sagte sich Martinengo. »Warum sonst diese Verkleidungen? Donnerwetter! Ein Kavalier wie ich ist nicht der Mann, ihm das Feld zu räumen. Ohne die Übergriffe der Republik Venedig wäre ich geradesogut Prinz aus einem regierenden Hause!«
Am Sankt-Stephans-Tag lauteten die Berichte der Spitzel bedenklicher; es schienen Anzeichen vorhanden, daß Fausta auf die Huldigungen des Unbekannten
Weitere Kostenlose Bücher