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Die Kartause von Parma

Die Kartause von Parma

Titel: Die Kartause von Parma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stendhal
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ist,hat Fabrizzio mißhandeln wollen. Doch mein junger Freund ist nicht der Mann, eine Beleidigung zu erdulden. Er hat seinen niederträchtigen Angreifer zu Boden gestreckt. Deshalb hat man ihm Handschellen angetan und ihn in ein Gewölbe, zwanzig Fuß unter der Erde, geworfen.«
    »Handschellen, nein!«
    »Ah, Sie wissen etwas!« rief der Erzbischof, und die Züge des Greises verloren ihre tiefe Mutlosigkeit. »Vor allem, ehe sich jemand diesem Balkon nähert und uns stört: Wollen Sie so barmherzig sein und Don Cesare meinen Hirtenring hier eigenhändig überbringen?«
    Das junge Mädchen nahm den Ring, aber sie wußte nicht, wo sie ihn verbergen sollte, ohne Gefahr zu laufen, ihn zu verlieren.
    »Tragen Sie ihn am Daumen!« riet der Erzbischof und steckte ihr ihn selbst an. »Kann ich darauf bauen, daß Sie den Ring hinbringen?«
    »Gewiß, Monsignore!«
    »Wollen Sie mir versprechen, das, was ich Ihnen noch sagen möchte, als Geheimnis zu bewahren, selbst für den Fall, daß Sie nicht geneigt sind, mir meine Bitte zu erfüllen?«
    »Ja, Monsignore!« entgegnete das junge Mädchen, über und über bebend, da sie die düstere und ernste Miene sah, die der Greis plötzlich hatte. »Euer Ehrwürden«, fügte sie hinzu, »wird mir nichts auftragen, was seiner und meiner nicht würdig wäre.«
    »Sagen Sie Don Cesare, daß ich ihm meinen Adoptivsohn ans Herz lege. Wie ich weiß, haben die Schergen ihm nicht die Zeit gelassen, sein Brevier mitzunehmen. Ich bitte Don Cesare, ihm das seine zu geben, und wenn Ihr Herr Onkel morgen in den erzbischöflichen Palast schicken will, werde ich ihm das Fabrizzio überlassene Buch ersetzen. Ebenso bitte ich Don Cesare, den Ring, den Ihre schöne Hand trägt, Fabrizzio zuzustellen...«
    Der Erzbischof wurde durch den General Fabio Contiunterbrochen, der seine Tochter holen wollte, um mit ihr nach Hause zu fahren. Es entwickelte sich eine kleine Unterhaltung, die auf Seiten des Prälaten der Diplomatie nicht entbehrte. Ohne den neuen Gefangenen irgendwie zu erwähnen, brachte er es zuwege, im Laufe des Gesprächs gewisse moralische und politische Grundsätze an passenden Stellen einzuflechten; so sagte er zum Beispiel: »Es gibt vorübergehende Spannungen im Hofleben, die auf lange Zeit hinaus über Sein und Nichtsein der hervorragendsten Persönlichkeiten entscheiden. Dabei wäre es recht unklug, politische Abneigung, die oft nur die ganz natürliche Folge entgegengesetzter Standpunkte ist, in persönlichen Haß zu verkehren.« Ja, der Erzbischof ließ sich durch den tiefen Kummer, den ihm die so unvorhergesehene Verhaftung bereitete, zu der Äußerung verleiten, man sei sicherlich berechtigt, die Stellung zu wahren, die man inne habe, aber es sei eine recht fruchtlose Unvernunft, sich für die Zukunft wilden Haß aufzuladen, indem man sich zu Dingen hergäbe, die einem nie vergessen würden.
    Als der General mit seiner Tochter in seinem Wagen saß, sagte er zu ihr: »Das sollte wohl eine Drohung sein? Eine Drohung einem Manne meines Schlages!«
    Weiter fielen in den zwanzig Minuten keine Worte zwischen Vater und Tochter.
    Als Clelia den Hirtenring des Erzbischofs annahm, hatte sie sich wohl vorgenommen, ihrem Vater, sobald sie im Wagen wären, von dem kleinen Dienst zu berichten, um den der Prälat sie angegangen hatte. Nachdem er aber das Wort ›Drohung‹ mit so zorniger Betonung ausgesprochen hatte, war sie überzeugt, daß ihr Vater sie an der Ausführung des Auftrages hindern werde. Sie verdeckte den Ring mit der linken Hand und hielt ihn leidenschaftlich fest. Während der ganzen Zeit, die die Fahrt vom Ministerium des Inneren bis in den Hof der Zitadelle in Anspruch nahm, überlegte sie sich, ob es Sünde sei, ihrem Vater nichts zu sagen. Clelia war sehr frommund gottesfürchtig, und ihr sonst so ruhiges Herz schlug mit ungewohnter Heftigkeit. Aber schließlich rief der Posten, der auf dem Wall über dem Tore Wache stand, sein »Wer da?«, bevor sie die geeigneten Worte gefunden hatte, um ihren Vater zu bereden, ihre Bitte nicht abzuschlagen; so sehr fürchtete sie, daß sie ihr abgeschlagen werden könnte. Als sie die dreihundertsechzig Stufen zur Kommandantur hinaufschritten, fand sie Clelia erst recht nicht.
    Sobald es anging, sprach sie mit ihrem Onkel, der sie ausschalt und sich auf nichts einließ.

Sechzehntes Kapitel
    »Gib acht,« rief der General, als er seinen Bruder Don Cesare sah, »die Duchezza wird hunderttausend Taler daran setzen, mir einen Streich zu

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