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Die Kartause von Parma

Die Kartause von Parma

Titel: Die Kartause von Parma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stendhal
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könnte!« rief sie. »Aber wie feig von mir! Ich sollte Fabrizzio im Unglück allein lassen? Ich bin irre. Die Augen auf! Kehren wir zur Wirklichkeit zurück! Betrachten wir kaltblütig die verwünschte Lage, in die ich wie zum Spaß hineingetaumelt bin! Was für ein unheilvoller Leichtsinn, an den Hof eines selbstherrlichen Fürsten zu gehen, eines Tyrannen, der alle seine Opfer kennt, der in jedem Blicke Trotz wider seine Macht wittert! Ach, das haben wir nicht berücksichtigt, weder ich noch der Graf, als ich Mailand verließ; ich hatte nur die Reize eines liebenswürdigen Hofes vor Augen, denich mir wohl etwas kleiner vorstellte, aber doch so ähnlich wie den mailändischen in den schönen Tagen unter dem Fürsten Eugen.
    Aus der Ferne machte ich mir keinen Begriff, was die unumschränkte Macht eines Despoten bedeutet, der alle seine Untertanen von Angesicht zu Angesicht kennt. Die äußere Form des Absolutismus ist die gleiche wie die anderer Regierungsformen. Es gibt zum Beispiel Richter; aber das sind Leute wie Rassi. Dieses Ungeheuer fände nichts Außergewöhnliches dabei, seinen eigenen Vater aufzuknüpfen, wenn Serenissimus es anbeföhle. Er würde das seine Pflicht nennen. – Rassi bestechen? Ich Unglückliche! Dazu bin ich zu arm! Was könnte ich ihm anbieten? Vielleicht hunderttausend Franken. Es geht das Gerücht, nach dem Anschlag auf sein Leben, dem der Fürst entronnen ist – so wollte es der Zorn des Himmels über diesem unglücklichen Lande! –, habe er ihm zehntausend Zechinen in Gold in einer Schatulle übersandt! Welche Geldsumme sollte ihn da bestechen? Seine schmutzige Seele, die in den Blicken der Menschen immer nur Verachtung gelesen hat, weidet sich jetzt daran, uns in Angst, ja demütig zu sehen. Er kann Polizeiminister werden, warum nicht? Dann werden drei Viertel der Untertanen vor ihm kriechen und zittern, ebenso knechtisch, wie er selber vor Serenissimus zittert.
    Ich darf aus diesem abscheulichen Ort nicht fliehen; ich muß um Fabrizzios willen hierbleiben. Wenn ich fern, einsam, verzweifelt leben wollte, was erreichte ich damit für ihn? Auf, raffe dich empor, unglückliches Weib! Tu deine Pflicht! Geh unter die Leute; tu so, als ob du nicht mehr an Fahrizzio dächtest! Ach, tun, als ob ich dich vergäße, mein Liebling!«
    Bei diesen Worten brach die Duchezza in Tränen aus; endlich konnte sie weinen. Nach einer Stunde, die sie dieser menschlichen Schwäche zollte, fühlte sie sich ein wenig getröstet; ihre Gedanken begannen sich aufzuhellen. ›Ich möchte einen Zaubermantel haben,‹ sagte siesich, ›um Fabrizzio aus der Zitadelle zu entführen und mit ihm in irgendein glückliches Land zu entfliehen, wohin uns keiner verfolgen kann, zum Beispiel nach Paris. Dort lebten wir zunächst von den zwölfhundert Franken, die mir der Verwalter seines Vaters immer mit so spaßiger Pünktlichkeit zukommen läßt. Aus den Trümmern meines Vermögens könnte ich wohl hunderttausend Franken zusammenscharren...‹
    Die Duchezza malte sich alle Einzelheiten des Lebens, das sie dreihundert Meilen fern von Parma führen würde, in unsagbar köstlichen Farben aus. ›Unter einem anderen Namen‹, sagte sie sich, ›könnte er dort Offizier werden. In einem der braven französischen Regimenter erlangt der junge Valserra vielleicht bald einen Ruf. Endlich wäre er glücklich!‹
    Diese herrlichen Schwärmereien lockten ihr von neuem Tränen ab, aber es waren milde Tränen. Irgendwo gab es doch noch ein Glück! Dieser Zustand hielt lange an. Der armen Frau widerstand es, der abstoßenden Wirklichkeit ins Auge zu schauen. Endlich, als der Tag zu dämmern begann und die Wipfel der Bäume im Park mit einer lichten Linie umwob, kehrte ihre Willenskraft zurück. ›In ein paar Stunden‹, sagte sie sich, ›werde ich auf dem Kampfplatz sein. Es gilt zu handeln; und wenn es so kommen sollte, daß mich irgend etwas reizt, wenn Serenissimus sich unterfängt, eine Bemerkung über Fabrizzio zu machen, dann bin ich nicht sicher, ob ich meine Kaltblütigkeit wahren kann. Ich muß also auf der Stelle und ohne Verzug einen Entschluß fassen.
    Wenn ich landesverräterischer Umtriebe bezichtigt werde, beschlagnahmt Rassi alles, was sich in meinem Palast vorfindet. Am Ersten des Monats haben wir, der Graf und ich, wie gewöhnlich alle Papiere verbrannt, die von der Polizei mißbraucht werden könnten. Dabei ist er Polizeiminister, wie drollig! Ich besitze drei Diamanten von einigem Wert. Morgen soll Fulgenzio,

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