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Die Kartause von Parma

Die Kartause von Parma

Titel: Die Kartause von Parma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stendhal
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einander in der Nähe des Comer Sees begegnet sind. Jawohl, es ist fünf Jahre her‹, sagte sie sich nach einigem Nachgrübeln. ›Ich war schon damals betroffen, als so manches Unverstandene vor meinen Kinderaugen geschah. Wie die beiden Damen Fabrizzio sichtlich bewunderten!‹
    Mit Befriedigung nahm Clelia wahr, daß keiner von den jungen Männern, die so überschwenglich mit ihr geplaudert hatten, sich ihrem Fenster zu nähern wagte. Einer,der Marchese Crescenzi, hatte ein paar Schritte in dieser Absicht gemacht, war dann aber an einem Spieltisch stehen geblieben. ›Sähe ich wenigstens von meinem kleinen Fenster in unserer Wohnung in der Zitadelle,‹ sagte sie sich, ›dem einzigen, das schattig liegt, auf so hübsche Orangenbäume wie diese dort, dann wären meine Gedanken nicht so trüb und traurig. Aber als einzige Aussicht die riesigen Quader der Torre Farnese! Ach,‹ dachte sie zusammenzuckend, ›dorthin wird man ihn sicherlich gesperrt haben! Wie ich mich danach sehne, mit Don Cesare sprechen zu können! Mein Vater wird mir während der Heimfahrt zur Zitadelle gewiß nichts sagen, aber von Don Cesare kann ich alles erfahren. – Ich habe Geld, ich könnte mehrere Orangenbäume kaufen. Wenn ich sie unter dem Fenster meiner Vogelstube aufstellte, brauche ich die Riesenmauer der Torre Farnese nicht mehr zu sehen. Der Turm wird mir jetzt noch viel häßlicher vorkommen, da ich einen von den Menschen kenne, denen er das Licht raubt!
    Dreimal habe ich ihn gerade gesehen: einmal auf dem Hofball am Geburtstag der Fürstin, dann heute, zwischen drei Gendarmen, während der ekelhafte Barbone für ihn Handschellen verlangte, und schließlich in der Nähe des Comer Sees... Das war vor fünf Jahren. Was für ein böses Jungengesicht er damals machte! Wie er die Gendarmen anstarrte, und was für sonderbare Blicke ihm seine Mutter und seine Tante zuwarfen! Gewiß gab es an jenem Tag irgendein Geheimnis, irgend etwas Außergewöhnliches zwischen ihnen. Hinterher ist mir der Gedanke gekommen, sie hätten auch Angst vor den Gendarmen gehabt.‹ Clelia erbebte. ›Ach, wie unwissend war ich doch! Zweifellos hegte die Duchezza schon damals eine Neigung zu ihm. – Nach einer Weile, als sich die Damen trotz ihrer sichtlichen Befangenheit ein wenig an die Gegenwart einer Fremden gewöhnt hatten, wie brachte er uns da zum Lachen! Und heute abend wußte ich keine Antwort auf das, was er zu mir gesagt hatte! Wie dummund feig! Das ist oft das Schlechteste, was es gibt! Dabei bin ich schon über zwanzig Jahre alt. Meine Klostergedanken waren sehr berechtigt. Wirklich, ich tauge nur für die Abgeschiedenheit. Eine richtige Kerkermeisterstochter! So wird er gesagt haben. Er verachtet mich, und wenn er der Duchezza wird schreiben dürfen, dann wird er meine Empfindungslosigkeit erwähnen, und die Duchezza wird meinen, ich sei ein recht falsches Ding. Denn heute abend konnte sie glauben, ich fühle mit ihr.‹
    Clelia merkte, daß sich ihr jemand näherte, und zwar offenbar in der Absicht, sich neben sie auf den eisernen Balkon ihres Fensters zu stellen. Sie war, obgleich sie sich deswegen Vorwürfe machte, verdrießlich darüber. Die Träumereien, aus denen sie aufgeschreckt wurde, waren doch so süß! ›Den zudringlichen Menschen werde ich schön empfangen!‹ dachte sie. Sie wandte den Kopf mit hochmütiger Miene, da erkannte sie das schüchterne Gesicht des Erzbischofs, der mit kleinen, unauffälligen Bewegungen dem Balkon näher rückte. ›Der fromme Mann hat gar keine Lebensart‹, dachte Clelia. ›Wozu will er ein armes Ding wie mich stören? Mein Frieden ist all mein Besitz.‹ Sie begrüßte ihn ehrfürchtig, aber förmlich. Da sagte der Kirchenfürst zu ihr: »Signorina, erfuhren Sie schon das Schreckliche?«
    Die Augen des jungen Mädchens wechselten bereits ihren Ausdruck, aber einer hundertmal wiederholten Vorschrift ihres Vaters eingedenk, antwortete sie in einem Ton, als ob sie von nichts wisse, sosehr die Sprache ihrer Augen sie der Lüge zieh: »Ich habe nichts gehört, Monsignore.«
    »Mein Erster Großvikar, der arme Fabrizzio del Dongo, der am Tode des Gauners Giletti ebenso schuldig ist wie ich selber, hatte sich nach Bologna geflüchtet. Dort lebte er unter dem angenommenen Namen Giuseppe Bossi. Man hat ihn in Ihre Zitadelle gesperrt. Mit Ketten an seinen Wagen gefesselt, kam er da an. Ein gewisser Gefängnisbeamter, namens Barbone, der vor Jahren seinen eigenen Bruder ermordet hat, aber begnadigt worden

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