Die Kartause von Parma
sein.‹ Was kann ein ritterlicher Mann auf eine so aufrichtige Erklärung antworten?
Ich werde einen neuen Geliebten nehmen, wenigstens wird man das in der Gesellschaft glauben. Zu diesem Liebhaber werde ich sagen: ›Im Grunde hat Serenissimus recht, daß er Fabrizzios Unbesonnenheit bestraft. Aber ich zweifle nicht daran, daß unser allergnädigster Landesherr an seinem Geburtstag ihm die Freiheit wiederschenken wird.‹ Damit gewinne ich sechs Monate. Den neuen Liebhaber schreibt die Klugheit vor. Es müßte dieser bestechliche Richter, dieser verruchte Henker, dieser Rassi sein... Er würde sich geadelt fühlen, und in der Tat, ich würde ihn in die gute Gesellschaft einführen. – Verzeih, lieber Fabrizzio! Einer solchen Kraftleistung bin ich nicht fähig! Ja, wenn sich dieses Ungeheuer, das noch so besudelt ist vom Blute des Grafen Palanza und des D., mir näherte, ich stürbe vor Ekel, oder vielmehr ich nähme einen Dolch und bohrte ihn in sein verruchtes Herz. Bitte mich nicht um Unmögliches!
Ja, vor allem Fabrizzio vergessen! Und nicht einen Schatten von Wut gegen Serenissimus! Meine gewöhnliche Heiterkeit bewahren! Sie wird diesen schmutzigen Seelen um so liebenswürdiger erscheinen, erstens, weil es so aussieht, als unterwürfe ich mich gutwillig ihrem Gebieter, und zweitens, weil ich, weit entfernt, ihrer zu spotten, bemüht sein will, ihre hübschen kleinen Verdienste anzuerkennen. Zum Beispiel werde ich dem Grafen Zurla eine Schmeichelei über seine schöne weiße Hutfeder sagen, die er sich durch einen Boten aus Lyon hat kommen lassen und die sein ganzer Stolz ist.Einen Geliebten aus der Partei der Raversi wählen! Wenn der Graf geht, wird ihre Partei ans Ruder gelangen; sie wird die Macht haben. Ein Freund der Raversi wird dann Kommandant der Zitadelle, denn Fabio Conti wird Minister. Wie wird Serenissimus, dieser Weltmann, dieser geistreiche Mensch, an die liebenswürdige Arbeitsweise des Grafen gewöhnt, mit diesem Schafskopf auskommen, mit diesem Esel aller Esel, dessen Hauptproblem es zeit seines Lebens gewesen ist, ob Allerhöchstdero Soldaten an ihren Waffenröcken sieben oder besser neun Knöpfe tragen sollen? So sind diese rohen Schranzen, die auf mich eifersüchtig sind, und das ist es, was dich so in Gefahr bringt, teurer Fabrizzio! So sind diese rohen Schranzen, die mein und dein Schicksal entscheiden sollen! Also nicht dulden, daß der Graf seine Entlassung einreicht! Er muß bleiben, und sollte er Demütigungen hinnehmen! Er bildet sich immer ein, das Entlassungsgesuch sei das größte Opfer, das ein Premierminister bringen könne. Und allemal, wenn ihm sein Spiegel sagt, daß er altert, bietet er mir dieses Opfer an. Folglich: völliger Bruch! Ja, und nur dann eine Versöhnung, wenn es kein anderes Mittel gäbe, ihn am Gehen zu hindern. Wir werden uns ganz gewiß in allergrößter Freundschaft trennen. Aber nach der schranzenhaften Weglassung der Worte ›ungerechter Prozeß‹ im Brief des Fürsten fühle ich, daß ich ihn hassen muß, wenn ich ihn nicht ein paar Monate meide. An jenem Abend bedurfte ich seines Geistes nicht; er hätte nur mein Diktat nachzuschreiben brauchen: nur diese zwei Worte, die mein Charakter ertrotzt hatte! Seine niedrigen Höflingsmanieren haben ihn irregeleitet. Am nächsten Tage sagte er zu mir, er hätte seinem Fürsten keine Geschmacklosigkeit zur Unterschrift vorlegen können; es hätte ein Gnadenschreiben sein müssen. O du mein Gott, von solchen Leuten, von solchen Ungeheuern der Eitelkeit und Ränkesucht, von einem Farnese nimmt man, was man kriegt!<‹Bei diesem Gedanken entbrannte der ganze Zorn der Duchezza von neuem. ›Der Fürst hat mich betrogen,‹ sagte sie sich, ›und mit welcher Feigheit! Der Mann ist nicht zu entschuldigen. Er hat Geist, Scharfsinn, Verstand; an ihm ist nichts gemein als seine Leidenschaften. Der Graf und ich, wir haben ihn zwanzigmal beobachtet; sein Geist wird nur gemein, wenn er sich einbildet, man wolle ihm etwas antun. Gut! Fabrizzios Vergehen hat mit der Politik nichts zu tun. Er hat ein Mördchen begangen, wie ihrer alljährlich in diesen glücklichen Landen Hunderte vorkommen. Und der Graf hat mir geschworen, er habe die genauesten Erkundigungen einziehen lassen, und Fabrizzio sei unschuldig. Dieser Giletti war keineswegs ohne Mut; als er sich zwei Schritt vor der Grenze sah, kam er plötzlich in die Versuchung, sich eines glücklichen Nebenbuhlers zu entledigen.‹
Lange grübelte die Duchezza nach, ob
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