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Die Kartause von Parma

Die Kartause von Parma

Titel: Die Kartause von Parma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stendhal
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heben.
    ›Großer Gott,‹ dachte er, ›möglicherweise ist sie nurkrank! Dann freilich wäre das der Anfang einer sehr schweren Krankheit!‹
    Besorgt schlug er vor, den berühmten Rasori [den berühmten Rasori: G. Rasori, einer der Mitarbeiter am ›Conciliatore‹, der Zeitschrift der Mailänder Romantiker und Carbonari (1818-1819), war mit Beyle befreundet. In einem Briefe jener Zeit schreibt Stendhal: ›Er ist arm wie eine Kirchenmaus, lustig wie ein Vogel, witzig wie Voltaire und charakterfest wie Eisen. Ich stelle ihn neben die genialsten Männer, die ich kenne. Nach Napoleon, Canova und Byron kommen Rossini und Rasori. Er ist Arzt, Erfinder, Dichter und Schriftsteller. Ein wundervoller Plauderer. Sein Gesicht sieht verlebt aus, aber es ist geschnitten wie eine köstliche Kamee.‹] holen zu lassen, den ersten Arzt des Landes und Italiens.
    »Wollen Sie denn einem Fremden das Vergnügen machen, die ganze Größe meiner Verzweiflung zu ermessen? Ist das der Rat eines Verräters oder eines Freundes?« Dabei schaute sie ihn mit seltsamen Augen an.
    ›So ist es denn Tatsache‹, sagte er sich verzweifelt. ›Sie liebt mich nicht mehr, ja sie rechnet mich nicht einmal mehr unter die gewöhnlichen Ehrenmänner.‹
    »Was ich sagen wollte,« fuhr er laut und mit Eifer fort, »ich habe vor allem Einzelheiten über die Verhaftung feststellen wollen, die uns so in Verzweiflung bringt, aber merkwürdigerweise habe ich noch nichts Bestimmtes erfahren. Ich habe die Gendarmen der nächsten Wache verhören lassen; sie haben gesehen, wie der Gefangene auf der Straße von Castelnuovo ankam, und Befehl erhalten, seinem Wagen zu folgen. Ich habe Bruno, dessen Eifer Ihnen ebenso bekannt ist wie seine Ergebenheit, noch einmal zurückgeschickt; er hat die Anweisung, von Ort zu Ort zu gehen, um zu erkunden, wo und wie Fabrizzio festgenommen worden ist.«
    Als Fabrizzios Name fiel, ward die Duchezza von einem leichten Krampf geschüttelt.
    »Verzeihen Sie mir, lieber Freund!« sagte sie zum Grafen, als sie wieder zu sprechen vermochte. »Diese Einzelheiten sind mir sehr wertvoll. Erzählen Sie mir alles! Lassen Sie mich die geringsten Umstände wissen!«
    »So hören Sie, gnädige Frau!« fuhr der Graf fort, indem er einen leichten Plauderton anzuschlagen versuchte, um sie ein wenig abzulenken. »Ich habe Lust, Bruno einen zuverlässigen Schreiber nachzusenden und ihm aufzutragen, seine Erkundigungen bis Bologna fortzusetzen. Vielleicht hat man unsren jungen Freund dort ausgehoben. Von wann ist sein letzter Brief?«
    »Vom Dienstag, also vor fünf Tagen.«
    »War er auf der Post erbrochen?«
    »Davon war keine Spur zu merken. Ich muß Ihnen sagen, er war auf abscheuliches Papier geschrieben, die Aufschrift stammte von weiblicher Hand und trug den Namen einer alten Wäscherin, einer Verwandten meiner Kammerzofe. Die Wäscherin glaubt, es handle sich um eine Liebesgeschichte, und Cechina erstattet ihr das Briefporto ohne Aufschlag zurück.«
    Der Graf hatte einen ganz geschäftlichen Ton angenommen und versuchte in Gemeinschaft mit der Duchezza auszurechnen, an welchem Tage Fabrizzios Verhaftung in Bologna stattgefunden haben könne. Sonst so feinfühlig, ward er erst jetzt inne, daß er von vornherein nicht anders hätte sprechen sollen. Diese Einzelheiten fesselten die unglückliche Frau und zerstreuten sie sichtlich. Wäre der Graf nicht so verliebt gewesen, dann wäre ihm dieser doch recht nahe liegende Gedanke sogleich beim Betreten des Zimmers gekommen. Die Duchezza veranlaßte ihn, zu gehen, um dem treuen Bruno unverzüglich neue Befehle zu senden. Als die Frage gestreift wurde, ob Serenissimus den Haftbefehl vor oder nach der Unterzeichnung jenes Briefes an die Duchezza erlassen habe, ergriff sie eifrig die Gelegenheit, dem Grafen zu sagen: »Wegen Auslassung der Worte ›ungerechter Prozeß‹ in dem Brief, den Sie geschrieben haben und den Serenissimus unterzeichnet hat, mache ich Ihnen keinen Vorwurf. Es war der Höflingstrieb, der Sie am Schopfe hatte. Unbewußt setzten Sie das Wohl Ihres Landesherrn über das Ihrer Freundin. Sie haben Ihr Tun meinen Befehlen untergeordnet, lieber Graf, und das seit langer Zeit; aber es steht nicht in ihrer Macht, Ihre Natur zu ändern. Sie besitzen große Fähigkeiten zum Minister, aber Sie haben auch den inneren Drang zu diesem Beruf. Das Weglassen des Wörtchens ›ungerecht‹ war mein Verderben. Aber ich bin weit entfernt, Sie deswegen irgendwie zu tadeln. Es war eine Verfehlung

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