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Die Kartause von Parma

Die Kartause von Parma

Titel: Die Kartause von Parma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stendhal
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offensichtlich ein geneigtes Ohr. Unter anderen Seltsamkeiten berichtete man, sie habe sich überaus lustig mit dem Grafen Baldi, dem gegenwärtigen Liebhaber der Raversi, unterhalten und ihn wegen seiner häufigen Ausflüge nach dem Schlosse Velleia tüchtig geneckt. Die Kleinbürger und das Volk waren um Fabrizzios Tod entrüstet; diese guten Leutchen schoben die Schuld der Eifersucht Moscas zu. Auch die Hofgesellschaft beschäftigte sich viel mit dem Minister, aber mehr, um sich über ihn lustig zu machen. Die dritte der erwähnten großen Neuigkeiten war tatsächlich nichts anderes als der Rücktritt des Grafen. Alle Welt hielt sich über den lächerlichen Verliebten auf, der in einem Alter von sechsundfünfzig Jahren eine großartige Stellung aufgab aus Gram darüber, von einer herzlosen Frau verlassen worden zu sein, die ihm überdies seit langem einjunges Bürschchen, seinen Schützling, vorzog. Nur der Erzbischof hatte soviel Witz, oder vielmehr soviel Herz, zu ahnen, daß die Ehre dem Grafen verbot, Premierminister in einem Lande zu bleiben, wo man, ohne ihn zu befragen, seinen Schützling köpfen wollte. Das Gerücht vom Rücktritt des Grafen hatte die Wirkung, den General Fabio Conti von seinem Zipperlein zu heilen, worauf wir noch zurückkommen werden, wenn wir davon zu erzählen haben, wie Fabrizzio seine Zeit in der Zitadelle verbrachte, während sich die ganze Stadt über die Stunde der Hinrichtung den Kopf zerbrach.
    Am folgenden Tag kehrte Bruno zurück, der treue Agent des Grafen, den dieser nach Bologna entsandt hatte. Mosca war sofort gerührt, als dieser Mann sein Arbeitszimmer betrat; sein Anblick erinnerte ihn an den glücklichen Zustand, in dem er sich befunden hatte, als er ihn nach Bologna abschickte, fast auf Anregung der Duchezza. Bruno kam aus Bologna, wo er nichts ausgekundschaftet hatte. Er hatte Ludovico nicht sprechen können, weil diesen der Podesta von Castelnuovo in seinem Ortsgefängnis in Gewahrsam hielt.
    »Ich will Sie noch einmal nach Bologna senden«, sagte der Graf zu Bruno. »Die Duchezza hängt an dem traurigen Vergnügen, Einzelheiten über Fabrizzios Unglück zu erfahren. Wenden Sie sich an den Wachtmeister, der den Gendarmerieposten von Castelnuovo befehligt... Ach nein,« rief der Graf, sich unterbrechend, »reisen Sie augenblicklich nach der Lombardei und verteilen Sie Geld, und zwar in Massen, an alle unsere Mittelsmänner! Meine Absicht ist es, von all diesen Leuten Berichte recht ermutigenden Inhalts zu bekommen.«
    Bruno begriff den Zweck seiner Sendung. Er schrieb sofort die Ausweise. Während der Graf ihm eine letzte Anweisung erteilte, ging ein höchst heuchlerischer, aber prächtig geschriebener Brief ein, fast der eines Freundes, der einen anderen um einen Dienst bittet. Der Schreiber war kein Geringerer als Serenissimus. Er habe von gewissenRücktrittsplänen munkeln hören und bäte seinen Freund, den Grafen Mosca, inständig, das Ministerium weiter zu leiten, er bäte ihn im Namen der Freundschaft und weil das Vaterland in Gefahr sei, ja er befehle es ihm als sein Landesherr. Hinzugefügt war, daß der König von ... ihm soeben zwei Großkreuze seines Hausordens zur Verfügung gestellt habe; eines davon behalte er für sich, und das andere wolle er seinem teueren Grafen Mosca zusenden.
    »Diebes Scheusal macht mich unglücklich!« schrie der Graf voller Wut, so daß Bruno ganz verblüfft war. »Und dabei glaubt er mich zu kirren mit den nämlichen heuchlerischen Redensarten, die wir so manches Mal zusammen ausgeklügelt haben, um irgendeinen Gimpel auf den Leim zu locken!«
    Er lehnte den ihm angebotenen Orden ab und schrieb in seiner Antwort, sein Gesundheitszustand ließe ihm nur geringe Hoffnung, sich noch lange den mühevollen Ministerpflichten widmen zu können.
    Der Graf war wütend. Einen Augenblick später ließ sich der Fiskal Rassi anmelden. Er behandelte ihn wie einen Negersklaven: »Nun, da ich Sie geadelt habe, fangen Sie an, den Unverschämten zu spielen! Warum sind Sie gestern nicht gekommen, um sich bei mir zu bedanken, wie das Ihre Pflicht und Schuldigkeit war, Herr Federfuchser?«
    Rassi war über Beleidigungen erhaben. In solchem Tone wurde er von Serenissimus täglich begrüßt. Er wollte jedoch Baron werden und rechtfertigte sich geistreich. Nichts war leichter.
    »Serenissimus hat mich gestern den ganzen Tag an den Schreibtisch gefesselt. Ich bin aus dem Schlosse nicht herausgekommen. Serenissimus hat mich mit meiner miserablen

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