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Die Kartause von Parma

Die Kartause von Parma

Titel: Die Kartause von Parma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stendhal
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Juristenhandschrift einen Stoß diplomatischer Akten abschreiben lassen, die so albern und so schwülstig waren, daß ich ernstlich glaube, sein einziger Zweck war, mich gefangen zu halten. Als ich mich endlich gegenfünf Uhr verabschieden durfte, war ich halbtot vor Hunger. Er hat mir den Befehl erteilt, mich geradenwegs nach Hause zu begeben und abends nicht auszugehen. Tatsächlich habe ich zwei besondere Aufpasser, die mir wohlbekannt sind, in meiner Straße bis gegen Mitternacht umherschleichen sehen. Heute früh habe ich mir, sobald ich es konnte, einen Wagen kommen lassen und bin bis an das Portal der Kathedrale gefahren. Ich bin gemächlich ausgestiegen, dann durch die Kirche hindurchgerannt, und nun bin ich hier. Eure Exzellenz ist in diesem Augenblick der Mensch auf der ganzen Welt, dem ich mit größter Hingabe einen Gefallen tun möchte.«
    »Und ich, Herr Schlauberger, ich bin nicht etwa auf Ihre mehr oder minder fein gedrechselten Märchen hineingefallen! Sie wichen mir vorgestern auf meine Fragen über Fabrizzio aus. Ich habe Ihre Bedenken und Ihre Eide wegen des Geheimnisses geachtet, wenngleich Schwüre für einen Mann Ihres Schlages höchstens Mittel zu Ausflüchten sind. Heute verlange ich die Wahrheit! Was bedeuten diese lächerlichen Gerüchte, denen zufolge der junge Mann als Mörder des Komödianten Giletti zum Tode verurteilt sein soll?«
    »Kein Mensch kann Eurer Exzellenz besser Auskunft über diese Gerüchte geben als ich, zumal ich sie auf Befehl von Serenissimus selber in Umlauf gesetzt habe, und ich denke, darum bin ich wohl gestern den ganzen Tag gefangen gehalten und daran gehindert worden, Sie davon in Kenntnis zu setzen. Serenissimus, der mich gewiß nicht für dumm hält, konnte nicht daran zweifeln, daß ich zu Ihnen gehen wollte, um Ihnen meinen Orden zu bringen und Sie zu bitten, ihn mir ins Knopfloch zu hängen.«
    »Zur Sache!« rief der Minister. »Keine Redensarten!«
    »Ohne Zweifel wünschte Serenissimus, ein Todesurteil über Herrn del Dongo in die Hände zu bekommen, aber wie Sie wohl erfahren haben, ist es nur zu einer Verurteilungzu zwanzig Jahren Galeere gekommen, die der Fürst am Tage nach der Urteilsfällung in zwölf Jahre Festung umgewandelt hat, jeden Freitag bei Wasser und Brot und anderen christlichen Übungen.«
    »Gerade weil ich diese Verurteilung zu bloßer Festung kannte, war ich erschrocken über die Gerüchte von der bevorstehenden Hinrichtung, die in der Stadt umlaufen. Ich erinnere mich an den Tod des Grafen Palanza, den Sie so fein haben verschwinden lassen.«
    »Damals hätte ich den Orden bekommen müssen!« rief Rassi, ohne sich aus der Fassung bringen zu lassen. »Man muß das Eisen schmieden, solange es heiß ist! Serenissimus war scharf auf Palanzas Tod. Damals war ich ein Gimpel, und durch diese Erfahrung gewitzigt, wage ich Ihnen den Rat zu geben, es jetzt nicht so zu machen wie ich damals.«
    Dieser Vergleich erschien dem Grafen so geschmacklos, daß er sich Gewalt antun mußte, um Rassi nicht einen Fußtritt zu versetzen.
    »Zunächst,« fuhr jener mit juristischer Logik und der unerschütterlichen Ruhe eines Menschen fort, den kein Schimpf verletzen kann, »zunächst kann von einer Hinrichtung des besagten del Dongo keine Rede sein. Serenissimus wagt es nicht. Die Zeiten haben sich recht geändert. Und schließlich, wo ich adlig bin und durch Sie die Aussicht habe, Baron zu werden, gebe ich mich nicht dazu her. Nun wissen Eure Exzellenz, daß der Scharfrichter nur durch mich Befehle zu Hinrichtungen erhalten kann; und ich, der Ritter Rassi, ich schwöre Ihnen, daß ich niemals dergleichen gegen Herrn del Dongo ausfertigen werde.«
    »Damit werden Sie sehr klug tun!« sagte der Graf und maß ihn mit einem strengen Blicke.
    »Unterscheiden wir!« begann Rassi lächelnd von neuem. »Ich bin nur für die amtlichen Hinrichtungen da, und wenn Herr del Dongo plötzlich an einer Kolik stürbe, so messen Sie mir nicht die Schuld bei! Serenissimus ist,ich weiß nicht, weshalb, höchst aufgebracht gegen die Sanseverina.« Drei Tage vorher hätte Rassi »die Duchezza« gesagt, aber wie die ganze Stadt wußte er von ihrem Bruch mit dem Premierminister.
    Der Graf war ob der Weglassung des Titels in einem solchen Munde betroffen, und man kann sich denken, welches Vergnügen ihm das bereitete. Er warf Rassi einen haßerfüllten, wilden Blick zu. »Mein Engel,« sagte er sich dann, »ich kann dir meine Liebe nur beweisen, indem ich blind deinen Befehlen

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