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Die Kartause von Parma

Die Kartause von Parma

Titel: Die Kartause von Parma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stendhal
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vielleicht finde ich einen geistreichen Mann, der mich mein Unglück vergessen läßt. Ohne Zweifel wird Ihnen im Reiche der Freundschaft immerdar der erste Platz frei gehalten. Nur will ich nicht, daß man sagt, meine Entschlüsse seien von Ihrer Weisheit diktiert. Vor allem will ich, daß man erfährt, daß ich jeglichen Einfluß auf Ihre Handlungen verloren habe. Kurz und gut, lieber Graf, seien Sie überzeugt, daß Sie mir immerdar der beste Freund sein werden, aber nie etwas anderes. Hegen Sie keine Hoffnungen auf eine Umkehr. Ich bitte Sie, das ist alles vorbei. Rechnen Sie ewig auf meine Freundschaft!«
    Das war zuviel für den Lebensmut des Grafen. Er schrieb Serenissimus einen schönen Brief und bat um seine Entlassung aus allen Ämtern. Er sandte das Schreiben an die Duchezza und ersuchte sie, es ins Schloß zu schicken. Kurz darauf erhielt er sein Entlassungsgesuch zurück, in vier Stücke zerrissen, und auf eines davon hatte die Duchezza zu schreiben geruht: »Nein, und tausendmal nein!«
    Es wäre schwierig, die Verzweiflung des armen Ministers zu schildern. »Sie hat recht!« sagte er sich immer wieder. »Daß ich die Worte »ungerechtet Prozeß« weggelassen habe, war ein gräßliches Unglück, das vielleicht Fabrizzios Tod zur Folge hat und damit auch meinen.«
    Den Tod in der Seele, schrieb der Graf, der nicht imfürstlichen Schloß erscheinen wollte, ehe er nicht gerufen wurde, aus freien Stücken die Urkunde, durch die Rassi zum Ritter des Sankt-Paul-Ordens ernannt und zugleich in den erblichen Adelsstand erhoben wurde. Der Graf fügte einen Vorschlag von einer halben Seite bei, in dem er dem Fürsten die politischen Gründe darlegte, die diese Auszeichnung rechtfertigten. Er fand eine schwermutsvolle Freude daran, von beiden Schriftstükken schön geschriebene Abschriften zu machen, die er der Duchezza zukommen ließ.
    Er verlor sich in Vermutungen; er suchte zu ergrübeln, nach welchem Plan die Frau, die er liebte, fortan ihren Lebenswandel gestalten könnte. »Sie weiß es selber nicht«, sagte er sich. »Nur dies ist sicher: Um nichts in der Welt wird sie von den Entschlüssen ablassen, die sie mir einmal angekündet hat.« Zu allem Unglück kam noch hinzu, daß er die Duchezza nicht einmal tadeln konnte. »Sie hat mich bezaubert, solange sie mich liebte; sie liebt mich nicht mehr nach einem Versehen, das gewiß unbeabsichtigt war, aber doch schreckliche Folgen nach sich ziehen kann. Ich habe gar kein Recht, mich zu beklagen.« Am anderen Morgen erfuhr der Graf, daß die Duchezza wieder angefangen habe, sich in der Gesellschaft zu zeigen. Am Abend vorher war sie in allen Häusern erschienen, die Empfang hatten. Was wäre geschehen, wenn er ihr in ein und demselben Salon begegnet wäre? Was hätte er ihr sagen sollen, in welchem Tone sie anreden und wie anderseits nicht mit ihr sprechen sollen?
    Der nächste Tag war ein Trauertag. Allgemein lief das Gerücht, Fabrizzio sei zum Tode verurteilt. Die Stadt war erregt. Weiterhin hieß es, Serenissimus habe wegen seiner hohen Herkunft zu bestimmen geruht, daß er enthauptet werden solle.
    »Ich bins, der ihn mordet!« sagte sich der Graf. »Ich habe keinen Anspruch mehr, mich jemals vor der Duchezza blicken zu lassen.« Trotz dieser recht einfachen Überlegung konnte er nicht umhin, dreimal bei ihr vorzusprechen;allerdings ging er zu Fuß, um nicht bemerkt zu werden. In seiner Verzweiflung hatte er sogar den Mut, ihr zu schreiben. Zweimal ließ er Rassi rufen; der Fiskal erschien jedoch nicht. »Der Schurke hat mich verraten«, sagte sich, der Graf.
    Am anderen Tage beunruhigten drei große Neuigkeiten die Parmaer Gesellschaft und selbst die Bürgerkreise. Die Hinrichtung Fabrizzios schien sicherer denn je; nur paßte es nicht zu diesem Gerücht, daß die Duchezza gar nicht allzu trostlos aussah. Allem Anschein nach hatte sie für ihren jugendlichen Verehrer nur mäßiges Bedauern. Immerhin wußte sie mit grenzenloser Geschicklichkeit die Blässe zu benutzen, die von einer ziemlich ernsten Unpäßlichkeit herrührte, die sie gerade zur Zeit von Fabrizzios Verhaftung befallen hatte. Die Spießbürger sahen natürlich in solchen Einzelheiten die Hartherzigkeit einer großen Dame am Hofe. Jedoch hatte sie anstandshalber und gleichsam als Opfer für die Manen des jungen Fabrizzio mit dem Grafen Mosca gebrochen. »Wie unmoralisch!« riefen die Jansenisten von Parma. Und, unglaublich, schon lieh die Duchezza den Schmeicheleien der jüngsten Hofstutzer

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