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Die Kartause von Parma

Die Kartause von Parma

Titel: Die Kartause von Parma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stendhal
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ungeheueren Abstand anspielte, der zu allen Zeiten einen einfachen Edelmann von den Gliedern eines herrschenden Hauses trenne.
    »Man muß Unterschiede machen«, meinte die Prinzessin. »Die Tochter eines Königs von Frankreich zum Beispiel hat keinerlei Aussicht, je auf den Thron zu gelangen. Aber in der Familie von Parma verhält sich die Sache durchaus nicht so. Deshalb schulden wir Farnesen es uns selbst, allezeit eine gewisse Würde in unserem Äußeren zu wahren. Ich, die arme Prinzessin, als die Sie mich sehen, bin nicht imstande, zu sagen, es sei glattweg unmöglich, daß Sie eines Tages mein Premierminister seien.«
    Dieser Gedanke war so ausgefallen, daß der Graf einen zweiten Augenblick reinster Heiterkeit genoß.
    Als er die Prinzessin Isotta verließ, die bei dem Geständnis der Leidenschaft des Premierministers stark errötet war, begegnete ihm ein Hofkurier. Serenissimus lasse ihn unverzüglich zu sich bitten.
    »Ich bin krank«, entgegnete der Minister, entzückt, seinem Fürsten einen Possen spielen zu können. »Ja,« rief er wütend aus, »erst treiben Sie mich zum Äußersten, und dann soll ich zu Kreuze kriechen! Merken Sie sich, mein Fürst, daß das Gottesgnadentum in unserem Jahrhundert nicht mehr genügt. Man muß viel Geist und einen starken Charakter haben, um mit Erfolg Despot zu sein.«
    Nachdem Mosca den Hofkurier, der angesichts der vollen Gesundheit dieses Kranken arg verdutzt war, weggeschickt hatte, machte er sich den Spaß, die beiden Persönlichkeiten des Hofes aufzusuchen, die den größten Einfluß auf den General Fabio Conti ausübten. Denn etwas verursachte dem Minister Schaudern und benahm ihm fast allen Mut: man sagte dem Kommandanten der Zitadelle nach, er hätte früher einmal einen Hauptmann, einen seiner persönlichen Feinde, durch Aquetta di Perugia aus der Welt geschafft.
    Der Graf erfuhr, daß die Duchezza seit acht Tagen tolle Summen vergeude, um sich in der Zitadelle geheime Beziehungen zu verschaffen. Seiner Ansicht nach hatte dies wenig Aussicht auf Erfolg; aller Augen waren noch zu offen. Wir wollen dem Leser keineswegs sämtliche von der unglücklichen Frau gemachte Bestechungsversuche berichten. Sie war nahe daran, es aufzugeben, und sie hatte doch alle möglichen Vermittler, die ihr treu ergeben waren! Allerdings, an kleinen absolutistischen Höfen gibt es vielleicht nur ein einziges Amt, das tadellos erfüllt wird, das ist die Bewachung politischer Gefangener. Das Gold der Duchezza brachte keine andere Wirkung hervor, als daß in der Zitadelle acht bis zehn Leute aller Grade verabschiedet wurden.

Achtzehntes Kapitel
    So brachten die Duchezza und der Premierminister bei aller Aufopferung für den Gefangenen nur recht wenig zuwege. Serenissimus war voller Wut, die Hofgesellschaft ebenso wie das Volk gereizt gegen Fabrizzio und froh, ihn im Unglück zu wissen: er war allzu glücklich gewesen. Obwohl die Duchezza das Gold mit vollen Händen verschwendete, kam sie in der Belagerung der Zitadelle keinen Schritt vorwärts. Es verging kein Tag, an dem die Marchesa Raversi oder der Cavaliere Riscara dem General Fabio Conti nicht irgendeine neue Warnung hätten zukommen lassen. Man half seiner Schwäche nach.
    Wie uns bereits bekannt ist, war Fabrizzio am Tage seiner Verhaftung einstweilen in die Kommandantur gebracht worden. Das war ein hübsches kleines Gebäude, im achtzehnten Jahrhundert nach den Plänen Vanvitellis [Luigi Vanvitelli (1700-1773), von niederländischer Herkunft, in Neapel geboren.] erbaut. Es lag hundertundachtzig Fuß hoch auf der Plattform des großen runden Turmes. Von den Fenstern dieses kleinen Palazzos, der auf dem Rücken des riesigen Turmes wie ein Kamelshöcker in die Luft ragte, überschaute Fabrizzio die Ebene und konnte ganz in der Ferne die Alpen erblicken. Mit seinen Augen verfolgte er vom Fuße der Zitadelle an den Lauf der Parma, eines Gebirgsflüßchens, das sich vier Meilen weit von Parma in einem Bogen nach rechts in den Po ergießt. Über das linke Ufer dieses Stromes hinaus, der gleichsam wie eine Kette von riesigen hellen Flecken mitten durch die grüne Ebene zieht, sah sein entzücktes Auge deutlich jede Zacke der ungeheueren Mauer, mit der die Alpen Italien nach Norden abschließen. Diese Gipfel, selbst im Monat August, in dem man sich damals befand, mit Schnee bedeckt, gewähren in den glühenden Ebenen durch die Erinnerung eine Art von Frische. Das Auge kann die Umrisse jener Höhen bis ins einzelne verfolgen, und doch

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