Die Kartause von Parma
Gewissen behalten kann. Ich erlaube mir, der gnädigen Frau das Gut zurückzuerstatten, und ich bitte, mir ein Jahresgeld von vierhundert Franken zu bewilligen.«
»Wievielmal in Ihrem Leben,« fragte ihn die Duchezza voll finsterer Hoheit, »wievielmal haben Sie es erlebt, daß ich von dem, was ich einmal gesagt, wieder Abstand genommen habe?«
Nach dieser Frage lief sie noch etliche Minuten lang hin und her; dann blieb sie plötzlich stehen und rief aus:
»Nur aus Zufall und weil Fabrizzio jener Kleinen zu gefallen gewußt hat, ist sein Leben gerettet worden. Wäre er nicht liebenswert, so wäre er gestorben. Können Sie das vor mir leugnen?« sagte sie, indem sie auf Ludovico zuging und Augen machte, in denen die düsterste Raserei loderte.
Ludovico wich einige Schritte zurück und dachte, sie wäre wahnsinnig, was ihn als angehenden Besitzer des Gutes La Ricciarda recht besorgt machte.
»Passen Sie auf!« begann die Duchezza in sanftestem und heiterstem Tone und völlig verwandelt. »Ich will, daß meine lieben Leute von Sacca einen fröhlichen Tag haben, an den sie lange zurückdenken. Sie sollen nach Saccazurück! Haben Sie etwas dagegen einzuwenden? Denken Sie, daß Sie sich dabei in Gefahr bringen?«
»Kaum, gnädige Frau. In Sacca weiß kein Mensch, daß ich im Gefolge des Monsignore Fabrizzio gewesen bin. Überdies erlaube ich mir, der gnädigen Frau zu bekennen, daß ich großes Verlangen habe, mir mein Gut La Ricciarda anzusehen. Es kommt mir so drollig vor, daß ich Grundbesitzer bin!«
»Dein Frohsinn gefällt mir. Der Pächter von La Ricciarda schuldet mir, wie mir einfällt, die Pacht von drei oder vier Jahren. Die Hälfte dieser Schuld will ich ihm schenken, und die andere Hälfte aller Rückstände trete ich dir ab, unter einer Bedingung: Du gehst nach Sacca, sagst, daß übermorgen der Namenstag einer meiner Schutzheiligen sei, und sorgst dafür, daß am Abend nach deiner Rückkehr das Schloß aufs glänzendste beleuchtet wird. Spare weder Geld noch Mühe! Bedenke, es handelt sich um das größte Glück meines Lebens! Ich habe diese Festbeleuchtung von langer Hand vorbereitet, seit mehr als drei Monaten habe ich in den Schloßkellern alles aufgehäuft, was zu diesem hohen Feste gebraucht wird. Dem Gärtner habe ich das Nötige für ein prächtiges Feuerwerk zum Aufbewahren gegeben. Du läßt es auf der Terrasse nach dem Po zu abbrennen. In meinen Kellereien habe ich neunzig Fuder Wein. Laß neunzig Weinfontänen in meinem Park springen! Wenn anderntags noch eine volle Flasche Wein da ist, dann liebst du Fabrizzio nicht! Sind die Weinfontänen, die Schloßbeleuchtung und das Feuerwerk im besten Gange, dann machst du dich vorsichtig aus dem Staube, denn möglicherweise – und das hoffe ich gerade – werden alle diese schönen Dinge in Parma als Unverschämtheit aufgefaßt.«
»Nicht nur möglicherweise, sondern sicher. Ebenso sicher wird der Großfiskal Rassi, der das Urteil über Fabrizzio unterzeichnet hat, vor Wut platzen. Und«, fügte Ludovico zaghaft hinzu, »wenn die gnädige Frau ihrem armen Diener noch mehr Freude bereiten wollte als mitder Schenkung der halben Rückstände von La Ricciarda, dann gestatten Sie mir, daß ich dem Rassi einen kleinen Schabernack spiele.«
»Du bist ein braver Kerl!« rief die Duchezza begeistert aus. »Aber ich verbiete dir auf das strengste, Rassi irgend etwas anzuhaben. Ich habe die Absicht, ihn später öffentlich hängen zu lassen. Was dich anlangt: laß dich in Sacca ja nicht erwischen; wenn ich dich verlöre, wäre alles verdorben.«
»Ich, gnädige Frau! Habe ich bekannt gegeben, daß ich ein Fest zu Ehren einer Schutzheiligen der gnädigen Frau veranstalten soll, so seien Sie gewiß: wenn die Polizei dreißig Gendarmen schickte, um es irgendwie zu stören, – ehe sie bis an das rote Kreuz in der Mitte des Dorfes kommen, sitzt nicht einer von ihnen mehr auf seinem Gaul! Die Leute von Sacca wissen, was sie zu tun haben, jawohl! Das sind alles alte Schmuggler, und sie beten die gnädige Frau an.«
»Schön«, begann die Duchezza in einem seltsamen, freimütigen Ton von neuem. »Ich stifte meinen braven Saccanern Wein; die Parmaer will ich unter Wasser setzen! Am selben Abend, da mein Schloß festlich beleuchtet wird, schwingst du dich auf das schnellste Roß meines Stalles, sprengst nach meinem Palazzo in Parma und läßt den Wasserbehälter auslaufen.«
»Ah! Der Einfall der gnädigen Frau ist vortrefflich!« rief Ludovico und lachte wie
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