Die Kartause von Parma
fuhr ab und wurde ein paar Stunden später aufgegriffen, worüber der General Fabio Conti und Rassi hoch erfreut waren. Mit Fabrizzios Befreiung aus seiner gefährlichen Lage schien dem Oberfiskal auch sein Baronstitel entschwunden zu sein.
Die Flucht wurde in der Zitadelle gegen sechs Uhr morgens ruchbar; erst um zehn Uhr wagte man sie Serenissimus zu melden. Obwohl die Duchezza dreimal den Wagen halten ließ, weil sie den tiefen Schlaf Fabrizzios für eine tödliche Ohnmacht hielt, wurde sie so gut bedient, daß sie in einer Barke über den Po fuhr, als es vier Uhr morgens schlug. Auf dem linken Ufer standen Wechselpferde bereit. Mit Windeseile kam man noch zwei Meilen weiter; dann gab es einen Aufenthalt von mehr als einer Stunde durch die Prüfung der Pässe. Die Duchezza hatte deren für sich und Fabrizzio von allen möglichen Arten, aber an diesem Tage war sie nicht ganz bei Sinnen; sie ließ es sich einfallen, dem österreichischen Polizeibeamten zehn Napoleons zu geben und ihm unter Tränen die Hand zu schütteln. Der arg erschrockene Polizist begann neue Fragen zu stellen.
Man nahm die Post; die Duchezza bezahlte in so auffallender Weise, daß sie in jenem Lande, wo alles Auswärtige verdächtig ist, allenthalben Verdacht erregte. Wieder kam ihr Ludovico zu Hilfe; er sagte, die Duchezza sei vor Schmerz nicht recht bei Sinnen, weil der junge Graf Mosca, der Sohn des Premierministers von Parma, unaufhörlich Fieber habe; sie geleite ihn nach Pavia, um dort die Ärzte zu befragen.
Erst zehn Meilen jenseits des Po wurde der Flüchtling richtig wach. Er hatte eine geschwollene Schulter und starke Schrammen. Die Duchezza benahm sich immer noch derart auffällig, daß der Wirt einer Dorfschenke, wo man zu Mittag aß, es mit einer Fürstin aus dem kaiserlichen Hause zu tun zu haben vermeinte und ihr dieEhren erwies, die er ihr zu schulden glaubte, bis Ludovico dem Manne sagte, die Fürstin würde ihn unfehlbar einsperren lassen, wenn er sich unterstünde, die Glocken läuten zu lassen.
Endlich erreichte man gegen sechs Uhr abends das Piemonter Gebiet. Erst dort war Fabrizzio in voller Sicherheit. Man brachte ihn in ein kleines Dorf abseits der großen Straße; seine Hände wurden verbunden, und er schlief noch ein paar Stunden.
In diesem Dorfe vollbrachte die Duchezza eine Tat, die nicht allein vom moralischen Standpunkt abscheulich ist, sondern auch auf den Frieden ihres ferneren Lebens einen trüben Schatten warf. Etliche Wochen vor Fabrizzios Entkommen, an einem Tage, an dem ganz Parma ans Tor der Zitadelle gelaufen war, um das ihm zu Ehren errichtete Schafott zu sehen, hatte die Duchezza dem Ludovico, der ihr Vertrauensmann geworden war, das Geheimnis gezeigt, wie man aus einem gut verborgenen schmalen Eisenrahmen einen Stein aus dem Boden des schon genannten berühmten Wasserbehälters aus dem dreizehnten Jahrhundert entfernen konnte. Während Fabrizzio in der Trattoria des kleinen Dorfes schlief, ließ die Duchezza Ludovico rufen. Er glaubte, sie sei verrückt geworden, so seltsam kamen ihm die Blicke vor, mit denen sie ihn anschaute.
»Sie erwarten gewiß,« sagte sie zu ihm, »daß ich Ihnen ein paar tausend Franken geben werde. Aber nein, das tue ich nicht. Ich kenne Sie; Sie sind ein Poet. Sie würden das Geld alsbald durchbringen. Ich schenke Ihnen das kleine Gut La Ricciarda, eine Meile von Casalmaggiore.«
Toll vor Freude warf sich Ludovico ihr zu Füßen. Mit Worten, die ihm von Herzen kamen, verwahrte er sich dagegen, daß er zur Rettung des Monsignore Fabrizzio beigetragen habe, um Geld zu verdienen. Er hätte ihn immer mit ganz besonderer Zuneigung geliebt, seit er einmal die Ehre gehabt habe, ihn in seiner Eigenschaftals dritter Kutscher der gnädigen Frau zu fahren. Als der Mann, der wirklich Gemüt besaß, glaubte, er habe eine so vornehme Dame genugsam mit sich beschäftigt, empfahl er sich, aber sie sagte mit funkelnden Augen: »Bleiben Sie!«
Ohne ein Wort zu sprechen, ging sie in der Wirtshausstube hin und her und sah von Zeit zu Zeit mit seltsamen Augen auf Ludovico. Als diese unheimliche Wanderung gar kein Ende nahm, hielt sich der Mann schließlich für verpflichtet, das Wort an seine Herrin zu richten.
»Gnädige Frau haben mich so überreich beschenkt, so über alles das hinaus, was sich ein armer Kerl wie ich zu erträumen vermocht hat, so übermäßig hoch im Vergleich zu den geringen Diensten, die ich zu leisten die Ehre gehabt habe, daß ich La Ricciarda nicht mit gutem
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