Die Kartause von Parma
besessen. »Wein den braven Saccanern und Wasser den Spießern von Parma, diesen Schuften, die so sicher waren, daß Monsignore Fabrizzio vergiftet werden würde!«
Ludovicos Freude fand gar kein Ende. Wohlgefällig betrachtete die Duchezza sein närrisches Lachen. Unaufhörlich wiederholte er: »Wein den braven Saccanern und Wasser den Parmaern! Die gnädige Frau weiß zweifellos besser als ich, daß man den Wasserbehälter vor zwanzig Jahren einmal aus Unvorsichtigkeit hat auslaufen lassen. Da hat das Wasser in mehreren Straßen fußhoch gestanden.«
»Und Wasser für die Parmaer!« wiederholte die Duchezza lachend. »Die Promenade vor der Zitadelle wäre voller Menschen gewesen, wenn man Fabrizzio enthauptet hätte. Alle Welt nennt ihn den großen Verbrecher... Vor allen Dingen mache die Sache schlau, damit nie ein menschliches Wesen erfährt, daß du die Überschwemmung angerichtet hast, oder gar, daß ich sie angeordnet habe! Fabrizzio und selbst Graf Mosca dürfen den tollen Spaß nie erfahren. – Aber ich vergesse die braven Saccaner. Schreibe schnell einen Brief an meinen Verwalter; ich werde ihn unterzeichnen. Schreibe, er solle am Namenstage meiner Schutzpatronin unter die Armen von Sacca hundert Zechinen verteilen und in allem, was die Festbeleuchtung, das Feuerwerk und den Wein betrifft, dir Folge leisten. Am Tage darauf soll sich in meinen Kellern nicht eine volle Flasche finden!«
»Der Verwalter wird nur in einem Punkte in Verlegenheit sein. Solange die gnädige Frau das Schloß besitzt, also seit fünf Jahren, gibt es keine zehn Arme in Sacca mehr.«
»Und Wasser für die Parmaer!« trällerte die Duchezza immer wieder. »Wie willst du diesen Ulk in Szene setzen?«
»Mein Plan ist fix und fertig. Ich reite von Sacca gegen neun Uhr weg; halb zehn bin ich mit meinem Pferd im Gasthof ›Zu den drei Kinnladen‹ an der Straße von Casalmaggiore, an der auch mein Gut La Ricciarda liegt. Um elf bin ich in meiner Stube im Palazzo, und ein Viertel zwölf gibt es Wasser für die Parmaer, und mehr, als sie brauchen, um auf das Wohl des ›großen Verbrechers‹ zu trinken. Zehn Minuten später reite ich auf der Straße nach Bologna wieder zur Stadt hinaus. Beim Vorbeikommen werde ich vor der Zitadelle feierlichst meinen Hut abnehmen. Der Mut Monsignores und die Klugheit der gnädigen Frau haben ihr das Ansehen genommen. Ich werde einen mir wohlbekannten Fußweg durch die Campagna reiten und meinen Einzug in La Ricciarda halten.«
Ludovico sah die Duchezza an und war erschrocken. Sie starrte auf die kahle Mauer sechs Schritt vor sich, und unleugbar mit wilden Blicken. »Ach, mein armes Gütchen!« dachte Ludovico. »Sie ist wirklich verrückt!«
Die Duchezza sah ihn an und ahnte seine Gedanken.
»Aha, Herr Ludovico, der große Poet, wünscht die Schenkung schwarz auf weiß! Hol Er rasch einen Bogen Papier!«
Ludovico ließ sich diesen Befehl nicht zweimal sagen, und die Duchezza schrieb eigenhändig eine umständliche Anerkennung, die sie ein Jahr zurückdatierte, in der sie bescheinigte, von Ludovico San Micheli die Summe von achtzigtausend Franken erhalten und ihm dafür das Gut La Ricciarda verpfändet zu haben. »Wenn die Duchezza binnen einem Jahre besagte achtzigtausend Franken Herrn Ludovico nicht zurückgezahlt hat, so soll La Ricciarda sein Eigentum sein.«
»Es ist etwas Schönes,« sagte sich die Duchezza, »einem treuen Diener etwa ein Drittel von allem, was ich besitze, zu schenken.«
»Ach so,« sagte sie laut zu Ludovico, »nach dem Spaß mit dem Wasserbehälter bewillige ich dir nur zwei Tage zur Erholung in Casalmaggiore. Dann folgst du mir nach Belgirate, und zwar ohne den geringsten Verzug. Fabrizzio reist vielleicht nach England, wohin du ihn begleiten würdest.«
Am folgenden Tage waren die Duchezza und Fabrizzio frühzeitig in Belgirate. Man machte sichs an diesem entzückenden Orte bequem. Aber an dem schönen See harrte der Duchezza ein schmerzlicher Kummer. Fabrizzio war durch und durch anders geworden. Schon in den ersten Augenblicken nach dem Erwachen aus seinem dumpfen Schlaf nach der Flucht nahm die Duchezza wahr, daß in ihm ungewöhnliche Dinge vorgingen. Dieses ihr mit vieler Mühe verheimlichte tiefe Gefühl war seltsam genug; es war nichts anderes als die Betrübnis, nicht mehr im Gefängnis zu sein. Er hütete sich, den Grund seiner Traurigkeiteinzugestehen; das hätte zu Fragen geführt, auf die er nicht antworten wollte.
»Aber sag einmal,« sagte die Duchezza
Weitere Kostenlose Bücher