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Die Kartause von Parma

Die Kartause von Parma

Titel: Die Kartause von Parma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stendhal
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hinwegzukommen suchte und dabei noch mehr Lärm verursachte. Tatsächlich starrten die Fenster von Bajonetten gerade in dem Augenblick, als er, an seinem Seil hängend, daran vorbeiglitt, zum Glück vier oder fünf Fuß davon entfernt, weil das Dach so weit vorstand. Einige haben behauptet, Fabrizzio, närrisch wie immer, habe die Rolle des Teufels gespielt und eine Handvoll Zechinen unter die Soldaten geworfen. So viel ist sicher, daß er Zechinen über den Fußboden seiner Zelle gestreut hatte und dasselbe auf der Plattform auf seinem Wege von der Torre Farnese bis zur Brustwehr tat, um durch diese Ablenkung seiner etwaigen Verfolger einen Vorsprung zu gewinnen.
    Als er die Plattform erreicht hatte, lenkte er – nun in nächster Nähe der Wachtposten, die alle Viertelstunden einen ganzen Satz: ›Auf Wache und Posten nichts Neues!‹ rufen mußten – seine Schritte nach der westlichen Brustwehr und suchte nach dem hellen Stein.
    Etwas erscheint unglaublich und könnte in Zweifel gezogen werden, wenn die vollendete Tatsache nicht eine ganze Stadt zu Zeugen gehabt hätte, nämlich der Umstand, daß die Posten, die längs der Brustwehr standen, Fabrizzio nicht bemerkt und angehalten haben. Allerdings war der Nebel, von dem bereits gesprochen wurde, höher gestiegen, und Fabrizzio erzählte, auf der Plattform habe es ihm geschienen, als ob er die Torre Farnese bereits bis zur halben Höhe einhülle. Dieser Nebel war jedoch durchaus nicht dicht, und Fabrizzio erkannte deutlich die Schildwachen, von denen einige auf und ab schritten. Er erzählte weiterhin, er sei, wie von einer übernatürlichen Macht getrieben, dreist zwischen zwei Posten hindurchgegangen, die ziemlich dicht nebeneinander standen. Gelassen nahm er das lange Seil ab, das er um den Leib trug und das sich zweimal verwickelte. Er brauchte lange Zeit, um es zu entwirren und über die Brustwehr hinabzulassen. Er hörte, wie die Soldaten auf allen Seiten sprachen, und war fest entschlossen, den ersten, der sich ihm nähern würde, niederzustechen. »Ich war keineswegs unruhig«, erzählte er später. »Mir war, als vollzöge ich eine feierliche Handlung.«
    Sein endlich entwirrtes Seil befestigte er in einer Öffnung der Brustwehr, durch die das Wasser abfließen sollte, erstieg die Brustwehr und rief inbrünstig Gott an. Wie ein Held aus der Ritterzeit dachte er einen Augenblick an Clelia. »Wie verschieden bin ich doch«, sagte er sich, »von jenem leichtsinnigen und liederlichen Fabrizzio, der vor neun Monaten hier einzog.« Dann begann er die erstaunliche Höhe hinabzuklettern. Er habe mechanisch gehandelt, erzählte er später, und es sei ihm gewesen, als sei hell-lichter Tag und er klettere vor Freunden hinunter, um eine Wette zu gewinnen. Etwa auf halber Höhe merkte er mit einem Male, daß seine Arme erlahmten; er glaubte sogar, er habe das Seil einen Augenblick fahren lassen, es aber alsbald wieder festgehalten. Vielleicht, sagte er, habe er sich auf Gestrüpp gestützt, an dem ervorbeirutschte und das ihm die Haut aufschürfte. Hin und wieder hatte er zwischen den Schultern heftige Schmerzen, die sich bis zu Atembeklemmungen steigerten. Er geriet in ein höchst unbequemes Hinundherpendeln; unaufhörlich schnellte ihn das Seil an das Gestrüpp und wieder hinweg. Mehrmals streiften ihn ziemlich große Vögel, die er aufgescheucht hatte und die im Fortfliegen gegen ihn stießen. Anfangs wähnte er sich von Leuten eingeholt, die ihm von der Zitadelle auf demselben Wege folgten. Er hielt sich zur Verteidigung bereit. Endlich erreichte er den Fuß des mächtigen Turmes ohne andere Unannehmlichkeiten als die, blutige Hände bekommen zu haben. Er erzählte später, die in halber Höhe beginnende Böschung sei ihm sehr nützlich gewesen. Er rutschte an der Mauer hinunter, und das zwischen den Mauerritzen wachsende Buschwerk gewährte ihm guten Halt.
    Als er unten in den Soldatengärten ankam, fiel er in eine Akazie, die ihm, von oben gesehen, eine Höhe von vier bis fünf Fuß zu haben schien, in Wirklichkeit aber fünfzehn bis zwanzig Fuß hoch war. Ein Bezechter, der dort schlummernd lag, hielt ihn für einen Einbrecher. Als Fabrizzio von dem Baume hinabfiel, verrenkte er sich fast den linken Arm. Er wollte auf den Wall fliehen, aber seine Beine waren wie aus Watte; er hatte keine Kraft mehr. Trotz der Gefahr setzte er sich hin und trank einen Schluck Branntwein, den er noch hatte. Ein paar Minuten lang schlief er, ohne zu wissen, wo er war. Als er

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