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Die Kartause von Parma

Die Kartause von Parma

Titel: Die Kartause von Parma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stendhal
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»Wenn Sie gerecht gewesen wären, wenn mir meine unglückselige Fürstenkrone nicht im Wege gewesen wäre, hätten Sie mir aus Mitleid mit meiner Liebe das gewährt, was Sie mir jetzt schulden, weil Sie es geschworen haben.«
    »Wenn ich Fabrizzio nicht vergiftet wiedersehe, wenn er in acht Tagen noch lebt, wenn Eure Hoheit ihn zum Koadjutor und künftigen Nachfolger des Erzbischofs Landriani ernennen, so will ich meine Frauenehre, meine Würde, alles, mit Füßen treten und Eurer Hoheit gehören!«
    »Aber, geliebte Freundin,« sagte der Fürst in einer drolligen Mischung von Zaghaftigkeit, Angst und Zärtlichkeit, »ich fürchte, daß irgendeine Hinterlist, die ich nicht merke, mein Glück vereiteln könnte. Es wäre mein Tod. Wenn der Erzbischof irgendeinen kirchlichen Grund einwendet, der die Sache jahrelang hinzieht, was wird dann aus mir? Sie sehen, daß ich offen und ehrlich verfahre; wollen Sie mir gegenüber eine Jesuitin sein?«
    »Meiner Treu, nein! Wenn Fabrizzio gerettet wird, wenn Sie Ihre ganze Macht daran setzen, ihn zum Koadjutor und künftigen Erzbischof zu machen, dann gebe ich meine Ehre hin und bin die Ihre. Eure Hoheit verpflichten sich, an den Rand eines Gesuches, das der Erzbischof Ihnen binnen acht Tagen unterbreiten wird, ein ›Genehmigt‹ zu setzen.«
    »Ich gebe Ihnen ein Blankett mit meiner Unterschrift.Regieren Sie über mich und meine Lande!« rief der Fürst, vor Glück errötend und wirklich außer sich. Er forderte einen zweiten Eid. Er war so aufgeregt, daß er seine angeborene Schüchternheit vergaß. In der einsamen Kapelle, wo die beiden waren, flüsterte er der Duchezza Dinge zu, die, hätte er sie drei Tage vorher ausgesprochen, ihre Meinung über ihn geändert hätten. Aber die Verzweiflung über die Gefahr, in der Fabrizzio schwebte, schwand vor dem Schauder über das Versprechen, das ihr abgerungen worden war.
    Die Duchezza war ganz außer Fassung über das, was sie eben getan hatte. Wenn sie sich der bitteren Schande ihres Schwures noch nicht voll bewußt war, so lag das daran, daß sie nur den einen Gedanken hatte, ob der General Fontana wohl noch rechtzeitig in der Zitadelle anlangen werde.
    Um sich dem tollen Liebesgeschwätz dieses Knaben zu entziehen und das Gespräch auf etwas anderes zu lenken, lobte sie ein berühmtes Bild des Parmigianino über dem Hauptaltar der Schloßkapelle.
    »Wollen Sie so gut sein, mir zu erlauben, daß ich es Ihnen schicke?« sagte der Fürst.
    »Ich nehme es an«, entgegnete die Duchezza. »Aber gestatten Sie, daß ich Fabrizzio entgegeneile?«
    Mit verstörter Miene befahl sie ihrem Kutscher, Galopp zu fahren. Auf der Wallbrücke der Zitadelle kamen ihr der General Fontana und Fabrizzio zu Fuß entgegen.
    »Hast du gegessen?«
    »Wunderbarerweise nicht.«
    Die Duchezza sank Fabrizzio um den Hals und fiel in eine Ohnmacht, die eine Stunde währte und das Schlimmste für ihr Leben und dann für ihren Verstand befürchten ließ.
    Der Kommandant Fabio Conti war vor Wut bleich, als er des Generals Fontana ansichtig ward. Er benahm sich in der Ausführung des fürstlichen Befehles so saumselig, daß der Flügeladjutant in der Voraussetzung, daß dieDuchezza im Begriffe sei, die Stellung der regierenden Mätresse einzunehmen, schließlich aufbrauste. Der Kommandant rechnete damit, Fabrizzios Krankheit werde zwei bis drei Tage dauern. ›Und nun‹, sagte er sich, ›kommt der General, eine Hofschranze, und sieht den Unverschämten sich vor Schmerzen krümmen, – meine Rache für seine Flucht!‹
    Höchst nachdenklich blieb er in der Wache im Erdgeschoß der Torre Farnese stehen, aus der er schleunigst die Soldaten hinausschickte. Er wollte keine Zeugen bei der bevorstehenden Szene haben. Fünf Minuten später war er vor Erstaunen ganz starr, als er Fabrizzio reden hörte und sah, wie er froh und munter General Fontana das Gefängnis beschrieb. Da drückte er sich.
    Fabrizzio benahm sich bei seiner Zusammenkunft mit dem Fürsten als vollendeter Kavalier. Vor allem wollte er nicht wie ein kleiner Junge dastehen, der vor jeder Kleinigkeit erschrickt. Der Fürst fragte ihn huldvoll, wie er sich befände.
    »Wie jemand, Hoheit, der vor Hunger stirbt, da er glücklicherweise weder gefrühstückt noch zu Mittag gegessen hat.«
    Nachdem er dem Fürsten seinen alleruntertänigsten Dank ausgesprochen hatte, bat er um die Erlaubnis, dem Erzbischof einen Besuch machen zu dürfen, ehe er sich in das Stadtgefängnis begebe.
    Der Fürst wurde leichenfahl,

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