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Die Kartause von Parma

Die Kartause von Parma

Titel: Die Kartause von Parma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stendhal
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als in seinem Kindskopf die Einsicht Raum gewann, daß die Vergiftungsgeschichte durchaus keine Einbildung der Duchezza war. Verloren in diesen gräßlichen Gedanken, gab er zunächst auf die Bitte Fabrizzios, den Erzbischof besuchen zu dürfen, keine Antwort; dann hielt er sich für verpflichtet, seine Unaufmerksamkeit durch desto größere Huld wieder gutzumachen:
    »Gehen Sie allein, Monsignore, gehen Sie ohne jede Bewachung durch die Straßen meiner Residenz! Gegen zehn oder elf Uhr begeben Sie sich in die Haft, in der Sie hoffentlich nicht lange bleiben werden.«
    Am Morgen nach diesem großen Tage, dem bedeutungsvollsten seines Lebens, hielt sich der Fürst für einen kleinen Napoleon. Er hatte gelesen, daß dieser große Mann öfters die Gunst schöner Frauen seines Hofes genossen hatte. Einmal Napoleon im Liebesglüek, entsann er sich auch, daß er im Kugelregen gewesen war. Sein Herz frohlockte über sein mannhaftes Verhalten gegen die Duchezza. Das Bewußtsein, ein schwieriges Werk vollbracht zu haben, wandelte ihn binnen vierzehn Tagen von Grund aus um. Er wurde empfänglich für erhabene Anschauungen; er bekam gewissermaßen Charakter.
    Den ersten Beweis davon gab er am selben Tage, indem er Rassis Grafenbrief, der seit vier Wochen auf seinem Schreibtisch lag, verbrannte. Er setzte den General Fabio Conti ab und beauftragte seinen Nachfolger, den Oberst Lagienka, die Vergiftungsgeschichte genau zu untersuchen. Lagienka, ein tapferer polnischer Offizier, schüchterte das Gefängnispersonal ein und berichtete dem Fürsten, daß das Frühstück des Monsignore del Dongo Gift enthalten sollte, aber da man allzuviel Leute ins Vertrauen gezogen hatte, sei die Sache erst beim Mittagessen ins Werk gesetzt worden. Ohne die Dazwischenkunft des Generals Fontana wäre Monsignore del Dongo verloren gewesen. Der Fürst war starr; da er aber wirklich stark verliebt war, fand er darin einen Trost, sich sagen zu können: ›So habe ich dem Monsignore tatsächlich das Leben gerettet, und die Duchezza kann nicht wagen, mir ihr gegebenes Wort zu brechen.‹ Er kam noch auf einen anderen Gedanken: ›Mein Metier ist viel schwieriger, als ich es mir gedacht hatte. Alle Welt behauptet, die Duchezza sei außerordentlich geistvoll. Hier stimmen Politik und Herz überein. Es wäre herrlich für mich, wenn sie mein Premierminister sein wollte.‹
    Am Abend war der Fürst durch die gräßliche Entdeckung dermaßen aufgeregt, daß er nicht mit Komödie spielen wollte.
    »Ich wäre überglücklich,« sagte er zur Duchezza, »wennSie über mein Land herrschen wollten wie über mein Herz. Für den Anfang will ich Ihnen berichten, wie ich meinen Tag angewandt habe.« Nun erzählte er ihr alles ganz ausführlich: das Verbrennen von Rassis Grafenbrief, die Ernennung Lagienkas, dessen Bericht über den Vergiftungsversuch und so weiter.
    »Ich habe recht wenig Erfahrung im Regieren. Der Graf demütigt mich mit seiner Ironie. Sogar im Staatsrat reißt er seine Witze; auch macht er allerhand Bemerkungen in der Gesellschaft, was Sie wahrscheinlich abstreiten werden. Er hat gesagt, ich sei ein Kind, das er hinführen könne, wohin er wolle. Wenn man Fürst ist, gnädige Frau, so ist man doch auch Mensch, und solche Sachen ärgern einen. Um Moscas Scherzen Trotz zu bieten, habe ich diesen gefährlichen Schurken, den Rassi, ins Ministerium nehmen müssen. Und da haben wir den General Conti, der noch immer an Rassis Macht glaubt und nicht einzugestehen wagt, daß er oder die Raversi es sind, die ihn verleitet haben, Ihren Neffen umzubringen! Ich hätte große Lust, den General Fabio Conti einfach vor Gericht zu stellen. Die Richter werden seine Schuld an dem Vergiftungsversuch schon herausbekommen.«
    »Aber, Fürst, haben Sie Richter?«
    »Wie?« fragte Ernst V. betroffen.
    »Sie haben hochweise Rechtsgelehrte, die gravitätisch durch die Straßen stolzieren; im übrigen werden sie das Recht immer so handhaben, wie es der herrschenden Partei an Ihrem Hofe gefällt.«
    Während der entrüstete junge Fürst allerlei redete, was mehr Harmlosigkeit als Klugheit verriet, dachte die Duchezza: ›Darf ich Conti in Verruf bringen? Nein, durchaus nicht; sonst wird die Heirat seiner Tochter mit diesem faden Ehrenmann, dem Marchese Crescenzi, unmöglich.‹
    Darüber entspann sich eine endlose Unterhaltung zwischen der Duchezza und dem Fürsten. Er verging vor Bewunderung. In Rücksicht auf die Verheiratung von CleliaConti mit dem Marchese Crescenzi wurde dem

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