Die Kartause von Parma
Republikaner liege!‹ Der Marchese begann zu weinen, und schließlich kam man überein, daß die Duchezza in ihrer Eigenschaft als Oberhofmeisterin ihn zur Fürstin geleiten solle, damit er sich von ihr die Erlaubnis ausbitte, Fabrizzio einen kleinen Korb überbringen zu dürfen. Von seinem Inhalt wollte er aber nichts wissen.
Am Abend vorher, als die Duchezza von Fabrizzios Torheit, in die Zitadelle zu gehen, noch nichts wußte, hatte man im Schloß wiederum eine Commedia dell'arte aufgeführt. Der Fürst, der sich ein für allemal ausbedungenhatte, die Liebhaberrollen mit der Duchezza zu spielen, hatte an den zärtlichen Stellen derartige Leidenschaft verraten, daß er sich lächerlich gemacht hätte, wenn in Italien ein leidenschaftlicher Mann oder ein Fürst überhaupt lächerlich sein könnte.
Der Fürst war sehr schüchtern, aber Dinge der Liebe nahm er tiefernst. Er begegnete auf einem der Gänge des Schlosses der Duchezza, die den Marchese Crescenzi nach den Gemächern der Fürstin schleppte. Er war so betroffen und geblendet von der leidenschaftdurchglühten Schönheit der Oberhofmeisterin, daß er zum ersten Male in seinem Leben Entschlußkraft bekam. Mit einer mehr als gebieterischen Handbewegung entließ er den Marchese und begann der Duchezza eine regelrechte Liebeserklärung zu machen. Der Fürst hatte sie zweifellos lange zuvor zurechtgelegt, denn sie lautete leidlich verständig: »Da mir die Standesrücksichten das höchste Glück verbieten, Sie zu heiraten, so will ich Ihnen vor einer geweihten Hostie schwören, mich niemals ohne Ihre schriftliche Zustimmung zu vermählen. Ich weiß wohl,« fuhr er fort, »daß ich Sie um die Hand eines Premierministers bringe, eines geistvollen und sehr liebenswerten Mannes, aber schließlich ist er sechsundfünfzig Jahre alt, und ich, ich bin noch nicht zweiundzwanzig. Ich müßte befürchten, Sie zu verletzen und Ihre Abweisung zu verdienen, wenn ich noch mehr von Dingen spräche, die mit der Liebe nichts gemein haben. Aber alles, was an meinem Hofe am Gelde hängt, bewundert laut den Liebesbeweis, den der Graf Ihnen gegeben hat, indem er sein ganzes Vermögen unter Ihrem Namen hinterlegt hatte. Ich wäre glücklich, ihm in diesem Punkte nacheifern zu können. Sie würden einen besseren Gebrauch von meinem Reichtum machen als ich selbst. Sie sollen über meine sämtlichen Einnahmen verfügen, die meine Minister dem Generalintendanten der Krone jährlich auszahlen, so daß Sie, Duchezza, zu bestimmen haben, was ich jeden Monat ausgeben kann.«
Die Duchezza fand diese Einzelheiten recht zeitraubend. Die Gefahr für Fabrizzio zerschnitt ihr das Herz.
»Aber wissen Sie denn nicht, mein Fürst,« rief sie aus, »daß man in diesem Augenblick Fabrizzio in Ihrer Zitadelle vergiftet? Retten Sie ihn! Ich glaube alles!«
Die Art, wie sie das sagte, war die allergrößte Ungeschicklichkeit. Bei der bloßen Erwähnung von Gift war die ganze Ungezwungenheit, die ganze Offenherzigkeit, die der arme, sittenstrenge Fürst in seiner Rede gezeigt hatte, mit einem Schlage weg. Die Duchezza ward sich ihrer Ungeschicklichkeit erst bewußt, als es zu spät war, sie wieder gut zu machen. Ihre Verzweiflung nahm noch zu, was sie nicht für möglich gehalten hatte. ›Wenn ich das Gift nicht erwähnt hätte,‹ sagte sie sich, ›hätte er mir Fabrizzios Freilassung bewilligt. O mein heißgeliebter Fabrizzio! Es steht also geschrieben, daß ich dir mit meinen Dummheiten den Tod bereiten soll!‹
Es kostete die Duchezza viel Zeit und Koketterie, um den Fürsten auf seine Worte von leidenschaftlicher Liebe zurückzubringen. Er blieb im Grunde verstört. Der Verstand hatte die Oberhand bekommen; sein Herz war zu Eis erstarrt, zunächst bei dem Gedanken an Gift und dann bei dem Gedanken, der ebenso häßlich wie der erste gefährlich war: ›Man verabreicht in meinem Lande Gift, und ohne mir etwas davon zu sagen! Rassi will mich also in den Augen Europas entehren! Gott weiß, was ich im nächsten Monat in den Pariser Zeitungen zu lesen bekomme!‹
Plötzlich kam der Geist des zaghaften jungen Mannes auf einen Einfall, während seine Seele stumm blieb: »Verehrte Duchezza, Sie wissen, daß ich Ihnen gehöre. Ihre gräßlichen Gedanken an das Gift sind nicht begründet; davon bin ich überzeugt. Aber Sie haben mir doch zu denken gegeben; ich habe darüber für den Augenblick fast meine Leidenschaft für Sie vergessen, die einzige, die ich je in meinem Leben erfahren habe. Ich merke,
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