Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Kartause von Parma

Die Kartause von Parma

Titel: Die Kartause von Parma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stendhal
Vom Netzwerk:
daß ich nicht liebenswert bin; ich bin nur ein recht verliebtes Kind. Aber stellen Sie mich auf die Probe!«
    Während dieser Rede wurde der Fürst ziemlich feurig.
    »Retten Sie Fabrizzio, so glaube ich alles! Zweifellos verleiten törichte Befürchtungen meine mütterliche Seele. Aber lassen Sie Fabrizzio auf der Stelle aus der Zitadelle holen, damit ich ihn sehe! Wenn er noch lebt, schicken Sie ihn vom Schloß aus in das Stadtgefängnis, wo er monatelang bleiben mag; wenn Eure Hoheit es fordert, bis zum Urteil.«
    Voller Entsetzen sah die Duchezza, daß der Fürst, statt eine so einfache Sache mit einem Worte zu gewähren, finster geworden war. Er war feuerrot und betrachtete die Duchezza; dann senkte er die Blicke, und seine Wangen entfärbten sich. Der Gedanke an Gift, zur ungelegenen Stunde erweckt, hatte ihn auf einen Einfall gebracht, der seines Vaters oder Philipps II. würdig gewesen wäre; aber er wagte nicht, ihn in Worte zu fassen.
    »Hören Sie, gnädige Frau!« sagte er endlich zu ihr, als ob er sich Gewalt antäte, in höchst ungnädigem Tone. »Sie verachten mich wie ein Kind, mehr noch, wie ein unliebenswürdiges Geschöpf. Nun, ich will Ihnen etwas Gräßliches sagen, was mir soeben meine innige und wahre Leidenschaft zu Ihnen eingegeben hat: Wenn ich auch nur im geringsten an die Giftgeschichte glaubte, hätte ich längst gehandelt; meine Herrscherpflicht erforderte es. Aber ich sehe in Ihrer Bitte nichts als eine leidenschaftliche Schwärmerei, deren ganze Tragweite – verzeihen Sie mir, daß ich das sage – ich vielleicht nicht erkenne. Sie wollen, daß ich etwas tue, ohne meine Minister um Rat zu fragen, wo ich doch noch keine drei Monate regiere! Sie fordern von mir, daß ich eine Ausnahme mache und gegen meine Gewohnheit handle, die ich für sehr vernünftig halte, wie ich Ihnen gestehen will. Sie, gnädige Frau, Sie sind in diesem Augenblick der unumschränkte Herrscher; Sie machen mir Hoffnungen in einer Sache, die mein ein und alles ist; aber in einer Stunde, wenn diese Giftphantasie, wenn dieser Alp wieder weg ist, wird Ihnen meine Gegenwart unbequem sein, gnädigeFrau, dann werden Sie mich abdanken. Aber gut! Ich will einen Eid! Schwören Sie mir, Duchezza: Falls Fabrizzio gesund und wohlbehalten geblieben ist, dann gewähren Sie mir binnen drei Monaten alles, was sich meine Liebe an Glück ersehnen kann. Sie machen mein ganzes Leben glücklich, wenn Sie mir eine Stunde des Ihrigen schenken und ganz die Meine werden.«
    In diesem Augenblick schlug die Schloßuhr zwei.
    ›Ach, vielleicht ist es zu spät!‹ sagte sich die Duchezza. »Ich schwöre es Ihnen!« fügte sie laut mit irren Augen hinzu.
    Sogleich war der Fürst ein anderer Mann; er lief zur letzten Tür der Galerie, wo das Zimmer des Flügeladjutanten war.
    »General Fontana, galoppieren Sie zur Zitadelle, eilen Sie, so schnell Sie können, in die Zelle, in der Monsignore del Dongo gefangen sitzt, und bringen Sie ihn hierher! Ich muß ihn in zwanzig Minuten sprechen, in fünfzehn, wenn es geht!«
    »Ach, Herr General!« rief die Duchezza, die dem Fürsten gefolgt war. »Eine Minute kann über Leben und Tod entscheiden. Eine zweifellos falsche Nachricht läßt mich Fabrizzios Vergiftung befürchten. Rufen Sie ihm zu, sobald Sie in Hörweite sind, er solle nicht essen! Wenn er seine Mahlzeit angerührt hat, geben Sie ihm ein Brechmittel; sagen Sie ihm, ich wolle es; wenden Sie Gewalt an, wenn es sein muß; sagen Sie ihm, daß ich nachkomme, und glauben Sie mir, daß ich Ihnen zeitlebens Dank schulde!«
    »Frau Duchezza, mein Pferd ist gesattelt! Reiten kann ich bekanntlich. Ich fliege zur Zitadelle und bin acht Minuten vor Ihnen dort.«
    »Und ich, Duchezza,« sagte der Fürst, »ich bitte mir vier von diesen acht Minuten aus.«
    Der Flügeladjutant war verschwunden. Seine einzige Fähigkeit war die, daß er reiten konnte. Kaum hatte sich die Tür hinter ihm geschlossen, als der junge Fürst, dersichtlich energisch geworden war, die Hand der Duchezza ergriff.
    »Gnädige Frau,« sagte er leidenschaftlich zu ihr, »wollen Sie gütigst mit mir in die Kapelle kommen!«
    Die Duchezza war zum ersten Male in ihrem Leben sprachlos. Sie folgte ihm, ohne ein Wort zu sagen. Sie durcheilten die ganze große Schloßgalerie, an deren äußerstem Ende die Kapelle lag. Kaum hatte der Fürst die Kapelle betreten, so sank er in die Kniee, fast zugleich vor dem Hochaltar wie vor der Duchezza.
    »Wiederholen Sie den Schwur!« sagte er feurig.

Weitere Kostenlose Bücher