Die Kartause von Parma
Franken überweisen. Mit dieser Summe könnte man mir einen Legationssekretär beigeben, und ich wäre keineswegs auf diplomatische Geheimnisse eifersüchtig, wenn es solche gäbe. Mein Ziel ist, meinem noch jungen Hause Ansehen zu verschaffen und es durch eine hohe Staatsstellung auszuzeichnen.‹
Der jetzige Duca, der Sohn jenes Gesandten, hatte den Fehler begangen, sich einen halb liberalen Anstrich zu geben, und lebte seit zwei Jahren in tiefer Verzweiflung. Zu Zeiten Napoleons hatte er durch sein hartnäckiges Verbleiben im Ausland zwei oder drei Millionen eingebüßt,und nach der Wiederherstellung der Ordnung in Europa war es ihm trotz alledem nicht gelungen, ein gewisses Ordensband zu erringen, das das Bildnis seines Vaters schmückte. Das Ausbleiben des Großkreuzes hatte ihn gänzlich gebrochen.
Die Vertraulichkeit, die in Italien mit der Liebe verknüpft ist, hebt zwischen zwei Liebenden alle Eitelkeitsrücksichten auf. Also sagte Mosca mit der größten Natürlichkeit zu seiner Angebeteten: »Ich habe Ihnen zwei oder drei gründlich durchdachte Pläne vorzulegen. Seit drei Monaten träume ich von nichts anderem.
Erstens: Ich reiche meine Entlassung ein, und wir leben gut bürgerlich in Mailand, Florenz oder Neapel, wo Sie wünschen. Wir haben jährlich fünfzehntausend Lire zu verzehren und sind unabhängig von der mehr oder minder unbeständigen Fürstengunst.
Zweitens: Sie geruhen in das Land zu kommen, wo ich etwas bedeute. Sie kaufen sich ein Gut, Sacca zum Beispiel, ein allerliebster Wohnsitz mitten im Wald, mit Aussicht auf den Po. Der Kaufvertrag könnte binnen acht Tagen unterschrieben sein. Sie werden am Hofe des Fürsten verkehren. Aber die Sache hat einen gewaltigen Haken. Man wird Sie bei Hofe gut aufnehmen; es fällt niemandem ein, mir Hindernisse in den Weg zu legen. Überdies hält sich die Fürstin für unglücklich, und ich habe ihr kürzlich im Hinblick auf Sie einen Dienst erwiesen. Aber, wie gesagt, die Sache stößt auf ein beträchtliches Hindernis: Serenissimus ist höchst bigott, und wie Sie wissen, will es das Verhängnis, daß ich verheiratet bin. Daraus entspringen tausend kleine Unannehmlichkeiten. Sie sind Witwe, an und für sich ein hübscher Titel, den Sie gegen einen anderen eintauschen müßten. Und darin gipfelt mein dritter Vorschlag.
Ein neuer Gatte, ein nicht im mindesten unbequemer, wäre schon zu finden; er müßte nur recht alt sein. Warum sollten Sie mir nicht die Hoffnung lassen, eines Tages an seine Stelle zu treten? Nun hören Sie! Ich habediesen merkwürdigen Fall mit dem Duca di Sanseverina-Taxis besprochen, selbstverständlich ohne ihm den Namen der künftigen Duchezza zu verraten. Er weiß nur, daß er durch Sie Gesandter und Großkomtur desselben Ordens werden wird, den sein Vater getragen hat und dessen Ausbleiben ihn zum Unglücklichsten aller Sterblichen macht. Abgesehen von dieser Schrulle ist der Herzog durchaus kein übler Mann. Er läßt sich seine Kleidung und seine Perücken aus Paris kommen. Ein vorbedachter Bösewicht ist er keineswegs; nur glaubt er steif und fest, die höchste Ehre hafte an jenem Ordensband. Vor einem Jahre machte er mir den Vorschlag, er wolle dafür ein Krankenhaus errichten. Ich habe ihn ausgelacht; aber er hat mich nicht im mindesten ausgelacht, als ich ihm den Heiratsvorschlag machte. Ich habe ihm, wohlverstanden, die Hauptbedingung gestellt, daß er nie wieder den Fuß nach Parma setzt.«
»Wissen Sie auch, daß Ihr Vorschlag im höchsten Grade unmoralisch ist?« sagte die Gräfin.
»Nicht unmoralischer als alles, was an unserem Hofe und an einem Dutzend anderer gang und gäbe ist. Der Absolutismus hat das Bequeme, daß er in den Augen des Volkes alles billigt. Das ist lächerlich, aber niemand merkt es. In den nächsten zwanzig Jahren wird unsere Politik von der Angst vor den Jakobinern geleitet werden, und von was für einer Angst! Jahr für Jahr wird man wähnen, am Vorabend von Anno 93 zu stehen. Ich hoffe, Sie werden die Phrasen zu hören bekommen, die ich bei offiziellen Gelegenheiten loslasse. Genug! Was jener Furcht nicht neue Nahrung gibt, ist in den Augen des Adels und der Klerikalen unantastbar moralisch. Nun sitzt in Parma alles, was nicht adlig oder bigott ist, im Gefängnis oder ist auf dem Sprunge dahin. Seien Sie überzeugt, solange ich in Gnaden stehe, wird kein Mensch an dieser Heirat etwas Auffälliges finden. Mit diesem Abkommen wird niemand betrogen. Das scheint mir die Hauptsache. Der Fürst,
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