Die Kartause von Parma
über alle anderen Städte angeht, einen so glühenden Vaterlandsstolz, daß ich wetten möchte, er findet Mittel und Wege, sich die kleine Clelia Conti, die Tochter unseres Lafayette, vorstellen zu lassen. Sie ist wirklich allerliebst und galt noch vor acht Tagen für die Schönste im ganzen Fürstentum.
Ich weiß nicht,« fuhr der Graf fort, »ob die Schändlichkeiten, die die Feinde des Monarchen zu seinen Ungunsten verbreitet haben, bis in das Schloß Grianta gedrungen sind. Man hat ihn als Ungeheuer, als Scheusal hingestellt. Es ist aber Tatsache, daß Ernst IV. eine ganze Menge netter kleiner Tugenden besitzt, und man kann getrost sagen, wäre er unverwundbar wie Achill, dann wäre er das Muster eines Machthabers geblieben. Aber in einer Anwandlung von Langerweile und Ärger und auch ein wenig, um Ludwig XIV. nachzueifern, der, ich weiß nicht, welchen Helden der Fronde hat köpfen lassen,der friedlich auf seinem Landgut lebte, unverschämterweise dicht bei Versailles, fünfzig Jahre nach besagten Unruhen, hat er eines Tages zwei Liberale hängen lassen. Diese Unvorsichtigen hatten sich wohl an bestimmten Tagen zusammengefunden, sich über den Fürsten abfällig geäußert und heiße Gebete zum Himmel gesandt, er möge die Pest über Parma kommen lassen und sie vom Tyrannen befreien. Das Wort Tyrann ist beglaubigt. Rassi nannte das eine Verschwörung; er ließ die Verdächtigen zum Tode verurteilen, und besonders die Hinrichtung des einen, des Grafen Palanza, war gräßlich. Das hat sich vor meiner Zeit ereignet. Seit dieser verhängnisvollen Tat«, fuhr der Graf mit gedämpfter Stimme fort, »leidet der Fürst an Angstanfällen, die eines Mannes unwürdig sind, die aber die einzige Quelle der Gunst sind, deren ich mich erfreue. Ohne diese Schwäche des Monarchen wäre meine Laufbahn zu schnell, zu verletzend für diesen Hof, wo die Dummheit herrscht. Sie werden es kaum glauben, der Fürst sieht vor dem Schlafengehen unter die Betten seiner Gemächer und gibt eine Million aus, um eine gute Polizei zu haben, und Sie sehen den Chef dieser schrecklichen Polizei vor sich. Durch dieses Amt, das heißt durch die Angst, bin ich Kriegs- und Finanzminister geworden. Da der Minister des Inneren eigentlich mein Vorgesetzter ist, soweit er die Oberaufsicht über die Polizei hat, so habe ich dieses Portefeuille dem Grafen Zurla-Contarini zuteilen lassen, einem einfältigen Arbeitstier, das sich das Vergnügen macht, täglich achtzig Briefe zu schreiben. Ich habe gerade heute vormittag einen bekommen; zu seiner Befriedigung hat Graf Zurla-Contarini die Briefbuchnummer 20715 eigenhändig davorsetzen können.«
Die Herzogin von Sanseverina wurde der trübseligen Fürstin von Parma, Clara Paolina, vorgestellt, die sich, weil ihr Mann eine Mätresse hatte (eine recht hübsche Frau, die Marchesa Balbi), für das allerunglücklichste Weib auf Erden hielt. Jedenfalls war sie das langweiligste.Die Duchezza fand eine sehr große und sehr hagere Dame, die keine sechsunddreißig Jahre alt war und doch wie eine Fünfzigerin aussah. Ihr regelmäßiges vornehmes Gesicht hätte für schön gelten können, wenn es nicht durch dicke, runde, kurzsichtige Augen entstellt worden wäre. Sie empfing die Duchezza mit so auffälliger Schüchternheit, daß einige dem Grafen Mosca feindselig gesinnte Hofleute zu sagen wagten, es habe ganz so ausgesehen, als sei die Fürstin die vorzustellende Dame und die Duchezza die Monarchin gewesen. Die Herzogin war so betroffen und fast verlegen, daß sie kaum Ausdrücke fand, um vor dieser Fürstin, die sich so untertänig benahm, die Untertänigkeit zu wahren. Um die Ärmste, die im Grunde gar nicht so geistlos war, einigermaßen wieder in Haltung zu bringen, fand die Duchezza kein besseres Mittel, als ein langes Gespräch über botanische Dinge anzuspinnen und im Fluß zu erhalten. Auf diesem Gebiet hatte die Fürstin wirkliche Kenntnisse; sie besaß prächtige Gewächshäuser mit einer Menge von Tropenpflanzen. Indem die Duchezza auf diese ganz einfache Weise ihr und sich aus der Verlegenheit half, gewann sie die Fürstin auf ewig. So schüchtern und ungeschickt Clara Paolina auch zu Anfang gewesen sein mochte, schließlich fühlte sie sich so in ihrem Fahrwasser, daß dieser erste Empfang gegen alle Vorschriften der Hofordnung nicht weniger als fünf Viertelstunden dauerte. Am anderen Tage ließ die Duchezza südländische Gewächse aufkaufen und gab sich für eine große Pflanzenliebhaberin aus.
Die
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