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Die Kartause von Parma

Die Kartause von Parma

Titel: Die Kartause von Parma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stendhal
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liebte, kennen zu lernen; sie wollte ihm gefallen, und das gelang ihr nur zu gut. Sie fand einen Mann von hoher, nur ein wenig starker Gestalt; sein Haar, sein Schnurrbart und sein riesiger Backenbart waren, wie die Hofschranzen meinten, vom schönsten Blond; bei einem anderen hätten sie diese nichtssagende Farbe mit dem unedlen Wort ›Semmelblond‹ bezeichnet. In der Mitte eines breiten Gesichts war eine kleine, beinahe weibische Stumpfnase kaum bemerkbar. Die Duchezza machte die Bemerkung, daß alle diese Merkmale von Häßlichkeit nur dann auffielen, wenn man sie absichtlich einzeln aufs Korn nahm. Im ganzen machte er den Eindruck eines Mannes von Geist und Charakter. Die Haltung des Fürsten, seine Art, sich zu geben, entbehrten nicht des Hoheitsvollen; nur bisweilen, wenn er mit jemandem sprach, auf den er Eindruck machen wollte, fiel er aus seiner Rolle und wiegte sich von einem Bein auf das andere. Sonst hatte Ernst IV. einen scharfen Herrscherblick; seine Bewegungen waren vornehm und seine Worte ebenso gemessen wie bestimmt.
    Mosca hatte die Herzogin im voraus auf ein Kniestück Ludwigs XIV. und auf einen sehr schönen Tisch aus Florentiner Scagliola im Audienzsaal aufmerksam gemacht. Sie fand die Ähnlichkeit erstaunlich. Offensichtlich ahmte der Fürst den Blick und die vornehme Sprechweise Ludwigs XIV. nach und stützte sich dabei auf den Scagliola-Tisch in einer Weise, als ob er sich die Haltung Josephs II. geben wolle. Sofort nach den erstenWorten, die er an die Duchezza gerichtet hatte, setzte er sich, um ihr Gelegenheit zu geben, von einem ihrem Rang gebührenden Vorrecht Gebrauch zu machen. An jenem Hofe setzten sich die Herzoginnen, Fürstinnen und die Damen von spanischen Granden ohne Geheiß. Die anderen Damen warteten, bis der Fürst oder die Fürstin sie dazu aufforderten; und um den Rangunterschied merklich zu machen, pflegten die allerhöchsten Herrschaften immer absichtlich eine kleine Frist verstreichen zu lassen, ehe sie Damen, die nicht Herzoginnen waren, zum Platznehmen einluden. Die Herzogin fand die Nachahmung Ludwigs XIV. in gewissen Augenblicken am Fürsten ein wenig zu auffällig, zum Beispiel in der Art, wie er, huldvoll lächelnd, das ganze Gesicht verzog.
    Ernst IV. trug einen Frack nach der neuesten Pariser Mode. Man sandte ihm alle Monate aus dieser Stadt, die ihm ein Greuel war, einen Frack, einen Rock und einen Hut. Aber an dem Tage, da die Herzogin empfangen wurde, trug er in sonderbarem Kostümmischmasch ein Paar rote Beinkleider, seidene Strümpfe und Schuhe mit sehr langen Klappen, wie man sie auf Bildnissen Josephs II. sehen kann.
    Er empfing die Sanseverina liebenswürdig; er sagte ihr geistreiche und feine Worte, aber sie merkte doch sehr wohl, daß der Empfang nicht übermäßig gnädig war.
    »Wissen Sie warum?« fragte der Graf Mosca, als sie von dem Empfang zurückkam. »Weil Mailand eine größere und schönere Stadt als Parma ist. Wenn er Ihnen den Empfang hätte zuteil werden lassen, den ich erwartet und auf den er mir Hoffnung gemacht hatte, so hätte er dabei Angst gehabt, wie ein Provinzler zu erscheinen, den die Huld einer schönen Dame aus der Hauptstadt in Verzückung versetzt. Außerdem stört ihn noch ein besonderer Umstand, den ich Ihnen kaum zu sagen wage: der Fürst hat an seinem Hofe keine Dame, die Ihnen an Schönheit den Rang streitig machen könnte. Das war gestern abend beim Schlafengehen der einzige Gegenstandder Unterhaltung mit seinem Ersten Kammerdiener Pernico, der mir sehr gewogen ist. Ich sehe eine kleine Umwälzung unserer Hofgebräuche voraus. Mein ärgster Feind am Hofe hier ist ein Narr, den man den General Fabio Conti betitelt. Stellen Sie sich einen wunderlichen Kauz vor, der in seinem Leben vielleicht einen Tag im Felde war und aus diesem Grunde Friedrich den Großen nachäfft. Dazu möchte er die vornehme Leutseligkeit des Generals Lafayette zur Schau tragen, und zwar, weil er hier das Haupt der liberalen Partei ist, Gott weiß, von was für Liberalen.«
    »Ich kenne Fabio Conti«, sagte die Duchezza. »Ich habe ihn einmal in der Nähe von Como flüchtig gesehen. Er zankte sich mit Gendarmen herum ...«
    Sie erzählte das kleine Abenteuer, dessen sich der Leser vielleicht noch erinnert.
    »Gnädige Frau, eines Tages, wenn Ihr Geist jemals die Tiefen unserer Hofgebräuche ergründet, werden Sie wissen, daß die jungen Damen erst nach ihrer Verheiratung bei Hofe erscheinen dürfen. Serenissimus hegt aber, was die Erhabenheit Parmas

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