Die Kartause von Parma
von dessen Gunst unser Wohlund Wehe abhängt, macht seine Einwilligung nur von einer Bedingung abhängig: die künftige Herzogin muß von altem Adel sein. Im vergangenen Jahre hat mir mein Posten hundertsiebentausend Franken eingebracht; alles in allem gerechnet, habe ich also hundertzweiundzwanzigtausend Franken Gehalt; davon habe ich zwanzigtausend in Lyon angelegt. Wählen Sie nun! Auf der einen Seite winkt Ihnen ein großartiges Leben mit hundertzweiundzwanzigtausend Franken im Jahre. Das ist in Parma soviel wie vierhunderttausend Franken in Mailand; allerdings heiraten Sie dafür einen annehmbaren Mann und tragen seinen Namen, aber Sie sollen ihn außer am Traualtar nie wieder zu sehen bekommen. Auf der anderen Seite ein kleinbürgerliches Dasein mit fünfzehntausend Lire in Florenz oder Neapel, denn ich bin ganz Ihrer Meinung, in Mailand hat man Sie allzusehr bewundert; dort würde uns die Mißgunst heimsuchen und uns unsere gute Laune verderben. Das große Leben in Parma wird, hoffe ich, den Reiz des Neuen haben, selbst in Ihren Augen, die den Hof des Fürsten Eugen gesehen haben. Lernen Sie es nur erst kennen! Glauben Sie nicht, daß ich Sie in Ihrem Entschluß zu beeinflussen suche. Mein Standpunkt steht fest; ich lebe lieber im dritten Stock zusammen mit Ihnen, als daß ich mein großes Leben einsam weiterführe.«
Das Für und Wider dieser seltsamen Heirat wurde täglich zwischen den beiden Liebenden erwogen. Auf dem Ball in der Scala lernte die Gräfin den Duca di Sanseverina- Taxis kennen. Er kam ihr ganz annehmbar vor. Während eines ihrer letzten Gespräche faßte Mosca seinen Vorschlag noch einmal wie folgt zusammen: »Wir müssen zu einem entscheidenden Entschluß kommen, um Ruhe in unser Leben zu bringen. Der Fürst hat seine Einwilligung gegeben. Sanseverina ist eine Persönlichkeit mit mehr guten als schlechten Seiten. Er besitzt den schönsten Palast von Parma und ein maßloses Vermögen; er ist achtundsechzig Jahre alt und hat nur die törichteOrdenssucht. Freilich haftet ein großer Makel an seinem Leben: er hat vor Jahren für zehntausend Franken eine Büste Napoleons von Canova gekauft. Und dann hat er eine Todsünde begangen, von der Sie ihn erlösen sollen: er hat einem gewissen Ferrante Palla fünfundzwanzig Napoleons geborgt. Das ist ein sonderbarer Heiliger, im Grunde ein genialer Kerl, den wir zum Tode verurteilt haben, glücklicherweise in contumaciam. Dieser Ferrante hat im ganzen zweihundert Verse geschrieben. Die sind unvergleichlich. Ich werde sie Ihnen gelegentlich vorlesen; sie sind ebenso schön wie Dantes Verse. Serenissimus schickt den Sanseverina an den Hof von ... Am Tage seines Wegganges heiratet er Sie. Ein Jahr darauf bekommt er sein Großkreuz, ohne das er nicht leben kann. Sie werden an ihm einen Bruder haben, der ganz und gar nicht lästig ist. Er unterschreibt im voraus alles, was ich ihm vorlege; und im übrigen werden Sie ihn selten oder gar nicht zu Gesicht bekommen, ganz wie es Ihnen beliebt. Er verlangt nichts weiter, als daß er sich in Parma nicht zu zeigen braucht, wo ihn sein Großvater, der Generalpächter, und das Gerücht, er sei liberal, belästigen. Rassi, unser Henker, hat behauptet, der Duca sei heimlich auf den ›Constitutionnel‹ abonniert gewesen, und zwar durch Vermittlung des Dichters Ferrante Palla, und diese Verleumdung hat lange Zeit der Einwilligung des Fürsten ernstlich im Weg gestanden.«
Wie könnte den Geschichtsschreiber, der dieses Gespräch bis in die geringsten Einzelheiten treu verfolgt, irgendwelche Schuld an den Geschehnissen treffen? Ist es seine Schuld, wenn die Gestalten, beherrscht von Leidenschaften, die er durchaus nicht teilt, zu seinem Unglück auf gänzlich unmoralische Handlungen verfallen ? Wahrlich, solche Dinge kommen in einem Lande nicht mehr vor, wo die einzige, alle anderen erstickende Leidenschaft, die Sucht nach Geld, der Träger der Eitelkeit ist.
Drei Monate nach den soeben erzählten Ereignissen setzte die Duchezza di SanseverinainBewunderung durch ihre ungezwungene Liebenswürdigkeit und die edle Heiterkeit ihres Geistes. Ihr Haus wurde unbestritten das beliebteste der Stadt. Das hatte Mosca seinem Gebieter versprochen. Ranuccio Ernesto IV., der regierende Fürst, und seine Gemahlin, die Fürstin, denen die Duchezza durch zwei der vornehmsten Damen des Landes vorgestellt worden war, empfingen sie auf das huldvollste. Die Duchezza war begierig, diesen Fürsten, den Herrn über das Schicksal dessen, den sie
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