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Die Kartause von Parma

Die Kartause von Parma

Titel: Die Kartause von Parma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stendhal
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erhabene Schönheit des Comer Sees. An seinen Gestaden träumte sie von der Rückkehr in jenes glänzende, wunderbare Leben, das sich ihr gegen alle Wahrscheinlichkeit wieder auftat. Sie sah sich auf dem Mailänder Korso, glücklich und heiter wie einst zur Zeit des Vizekönigs. ›Die Jugend oder wenigstens wirkliches Leben wird für mich wiederkehren!‹
    Die Glut ihrer Einbildungen setzte sich bisweilen über die Dinge hinweg, aber niemals verlor sie sich in jenen bewußten Täuschungen, in denen sich die Feigheit wiegt. Sie war vor allem eine gegen sich selbst aufrichtige Frau. ›Da ich ein wenig zu alt bin, um Torheiten zu begehen,‹ sagte sie sich, ›so kann der Neid, der sich ebenso wie die Liebe Vorspiegelungen macht, mir den Aufenthalt in Mailand vergiften. Nach dem Tode meines Mannes erregte meine stolze Armut und die zweimalige Abweisung eines großen Vermögens Aufsehen. Mein armer lieber Mosca besitzt nicht den zwanzigsten Teil von dem Überfluß, den jene beiden Tröpfe, der Limercati und der Nani, mir zu Füßen gelegt haben. Die mit Mühe und Not erlangte kärgliche Witwenpension, die aufsehenerregende Entlassung meiner Dienerschaft, das kleine Stübchenim vierten Stock und täglich zwanzig Wagen vor dem Hause, alles das waren einst seltsame Erlebnisse. Aber so gut ich mich auch darein schickte, ich würde doch unangenehme Augenblicke haben, wenn ich wieder in Mailand leben wollte, in gut bürgerlichen Verhältnissen, wie sie uns meine Witwenpension und die fünfzehntausend Lire Rente gestatteten, die Mosca nach seinem Abgang verblieben. Überdies ist der Graf verheiratet, wenn er auch von seiner Frau seit langem getrennt lebt; diese Trennung ist in Parma stadtbekannt, aber nicht in Mailand, und man würde in mir den Grund suchen. Der Neid würde das als schreckliche Waffe gegen mich benützen. So leb denn wohl, meine schöne Scala, mein göttlicher Comer See, leb wohl!‹
    Trotz allen diesen Bedenken wäre die Gräfin auf das Anerbieten Moscas, seine Entlassung einzureichen, eingegangen, wenn sie selbst nur ein wenig Vermögen besessen hätte. Sie hielt sich für alt, und das Leben am Hofe schreckte sie ab. Nördlich der Alpen wird man es für höchst unwahrscheinlich halten, daß der Graf seinen Abschied mit Freuden genommen hätte. Zum mindesten brachte er es fertig, seine Freundin davon zu überzeugen. In allen seine Briefen bat er sie inständig und mit täglich wachsender Narrheit um ein zweites Wiedersehen in Mailand. Sie willfahrte ihm.
    »Wenn ich Ihnen schwören sollte, daß ich für Sie eine wahnsinnige Leidenschaft hegte,« sagte die Gräfin eines Tages zu ihm, »so wäre das eine Lüge. Ich wäre selber überglücklich, wenn ich heute mit meinen dreißig Jahren lieben könnte wie einst mit zweiundzwanzig. Aber ich habe so vieles in Trümmer zusammensinken sehen, was ich für ewig gehalten hatte! Ich empfinde für Sie die zärtlichste Freundschaft, ich hege zu Ihnen ein Vertrauen ohne Grenzen, und von allen Männern sind Sie mir der liebste.«
    Die Gräfin hielt sich für durchaus aufrichtig, und doch enthielten die letzten Worte eine kleine Lüge. Wenn Fabrizziogewollt hatte, wäre er vielleicht der Eroberer ihres ganzen Herzens geworden. In den Augen des Grafen Mosca freilich war Fabrizzio nur ein Kind. Drei Tage nach dessen Flucht nach Novara war Mosca in Mailand und verwandte sich sofort beim Baron Binder für den Verbannten. Der Graf war danach der Meinung, die Sache sei aussichtslos.
    Mosca war nicht allein nach Mailand gekommen. Er hatte in seinem Wagen den Duca di Sanseverina-Taxis mitgebracht, einen netten alten Herrn von achtundsechzig Jahren, leicht ergraut, mit besten Umgangsformen, sehr geschmackvoll und unermeßlich reich. Sein Adel war allerdings nicht weit her. Sein Großvater hatte als Generalpächter der gesamten Staatseinnahmen von Parma Millionen auf Millionen gehäuft. Sein Vater war Gesandter des vormaligen Fürsten von Parma am Hofe zu ... geworden, und zwar dank folgender Erörterung:
    ›Serenissimus zahlen dem Gesandten am Hofe zu ... ein Gehalt von dreißigtausend Franken, womit dieser dort eine ziemlich mäßige Rolle spielt. Wenn Eure Hoheit geruhen wollten, mir diesen Posten zu übertragen, nähme ich ihn mit sechstausend Franken Gehalt. Mein Auftreten am Hofe zu ... sollte mir nicht unter hunderttausend Franken im Jahre zu stehen kommen. Mein Vermögensverwalter würde überdies der Kasse der auswärtigen Angelegenheiten in Parma jährlich zwanzigtausend

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