Die Karte der Welt (German Edition)
auf einem Bauernhof in der Nähe gefunden. Sie war in fürchterlicher Verfassung, aber sie hatte überlebt. Als Einzige. Sie weigerte sich zu berichten, was geschehen war, und bald zeigten sich die ersten Anzeichen, dass sie mit einem Kind schwanger ging. Als sie zum Palast zurückkehrte, herrschten deswegen große Aufregung und Neugier. Es gab viele Spekulationen über ihren heimlichen Freier, aber sie nannte seinen Namen niemals. Gerüchte waren im Umlauf, und dann, in der Nacht meiner Geburt, schmuggelte die verängstigte Hebamme sie und ihr Neugeborenes aus der Stadt. Niemand außer der Hebamme hat das Kind je gesehen, und am Hof ging man davon aus, es sei meine Illegitimität gewesen, die meine Mutter vertrieben hatte. Dieses Kind war ich, ein Kind so hässlich und monströs, dass meine Mutter fortan bei einem blinden Einsiedler lebte, um mich zu verstecken. Sie lebte das Leben einer Bauersfrau, doch sie gab mir Unterricht, und wenn ich auch schwieriger zu handhaben war als ein normales Kind, stellte ich mich dennoch als begieriger Schüler heraus, und sie brachte mir bei, meine tierischen Instinkte unter Kontrolle zu halten, außer wenn ich angegriffen wurde. Als ich schließlich erwachsen war, wollte ich mich nicht mehr verstecken und zog hinaus in die Welt. Es war schwierig. Man hatte Angst vor mir, ich wurde gemieden und angefeindet wegen meines schauerlichen Äußeren. Auch meine Bildung und meine Umgangsformen änderten daran nichts. Manche Konfrontation konnte ich mit Worten beilegen, andere nur im Kampf. Ich verkleidete mich, als Soldat mit Helm, als fahrender Schausteller, sogar als aussätziger Bettler, um mein Gesicht zu verbergen. Doch schließlich wurde ich entdeckt, und man zerrte mich vor den Fürsten. Lothario gelang es, Kryst davon zu überzeugen, dass mit mir mehr anzufangen sei, als mich nur als Jahrmarktsattraktion zur Schau zu stellen. Seit jener Zeit bin ich ständig in gefährlichen Missionen im Auftrag des Palastes unterwegs, teils weil mein Leben nichts gilt, und teils um mich von der Stadt fernzuhalten. Und hier bin ich nun, mit euch.«
»Das ist eine traurige Geschichte«, sagte Wex.
»Wer ist deine Mutter?«, fragte Spragg barsch.
»Das kann ich dir nicht sagen«, erwiderte Arkh.
»Ich werde es herausfinden, sobald wir zurück sind. Nicht viele sind des Nachts mit einem Bastard vom Hof geflohen.«
»Tu, was dir beliebt, aber ich werde es dir nicht sagen.«
»Du verstehst mich falsch. Ich verfolge damit keine böse Absicht. Ich könnte ihr helfen, in die höfische Gesellschaft zurückzukehren. Niemand würde erfahren, dass sie deine Mutter ist.«
»Dafür danke ich dir. Doch sie schämt sich meiner nicht und hat ihren Frieden gefunden, weit weg vom höfischen Leben. Nie würde sie an Krysts Hof zurückkehren, der den Mann, den sie liebte, vertrieben hat.«
Pinch schüttelte verblüfft den Kopf. »Ich höre immer gerne eine gute Geschichte, und diese hier ist beinahe genauso gut wie eine von meinen. Aber was sollen wir nur Fret-Fret über deine unglückliche Herkunft erzählen?«
»Die Wahrheit«, schlug Wex vor. »Wir haben sie schließlich auch gehört und sind nicht schreiend davongelaufen. Er wird sie akzeptieren.«
Mungo grunzte. »Ganz recht«, übersetzte Pinch. »Es wird ihm gar nichts anderes übrig bleiben.«
Mungo und Arkh schleppten den gefesselten Düsterling, während Wex, Spragg und Pinch nebenherliefen. Das flache Grasland war noch hier und da von kleinen Hainen und Bächen durchzogen, aber es gab keine größeren Hügel, und bald waren sie in Sichtweite des weißen Turms. Sie hielten direkt darauf zu, und nach etwa einer Stunde hatten sie die anderen eingeholt.
Spragg rief Fretter zu: »Hehoo, Hauptmann! Wir haben einen Düsterling gefangen genommen!«
»Bestens«, erwiderte Fretter. »Und während ihr fort wart, hat sich unsere Gruppe um zwei Mitglieder vergrößert.« Der Hauptmann deutete auf zwei Gestalten in übergroßen Kitteln, die aussahen, als wären sie einmal bunt und weit gewesen, doch jetzt waren sie von Schlamm und Erde förmlich zusammengebacken.
Die beiden blickten auf, erschöpft, verschwitzt, verdreckt. Das Auge des einen schien sich nicht entscheiden zu können, in welche Richtung es schauen sollte, die andere war umwerfend schön, trotz ihrer erbärmlichen Verfassung.
»Adara!«, keuchte Wex.
»Und Blu«, fügte Fretter hinzu. »Sie haben das Massaker überlebt und uns ausfindig gemacht.«
»Sie haben uns gesucht?«
»Wir haben die
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