Die Karte der Welt (German Edition)
Hand. »Ihr werdet uns gehen lassen, oder?«, fragte er. »Sagt Euren Ungeheuern, sie sollen uns vorbeilassen und nicht angreifen.«
»Ich habe dich schon einmal gehen lassen«, erwiderte Vill. »Wie kommt es, dass du hier bist?«
»Sie wollte die Kinder suchen.«
Misstrauisch blickte Adara zwischen den beiden hin und her. Offensichtlich versuchte sie dahinterzukommen, in welcher Beziehung sie zueinander standen.
»Ich habe meiner Gefährtin gesagt, dass Ihr uns nichts tun werdet.«
»Du hast einen Handel mit ihm abgeschlossen?«, fragte Adara entgeistert.
»Ja«, erklärte Vill. »Um dein Leben. Er sprach mit großer Liebe von dir. Du solltest ihm dankbar sein.«
»Gegen was hat er es eingetauscht?«
»Simple Informationen«, erwiderte Vill. »Zahlen. Die Anlegestellen der Boote. Fluchtwege.«
Fassungslos starrte Adara Blu an, während sie versuchte, das eben Gehörte zu verdauen.
»Wenn ihr ein weiteres Mal freies Geleit haben wollt«, erklärte Vill, »würde ich gerne wissen, wie viele von dem kleinen Volk in diesem Turm sind und was für Waffen sie haben.«
Adara spuckte Vill mitten ins Gesicht. »Du hast ihm erklärt, wie er am besten unser Lager angreifen kann!«, brüllte sie Blu an.
»Ich habe dich gerettet«, erwiderte er.
»Du hast uns alle umgebracht! Meinen Vater! Meine Familie!«
»Mir blieb keine andere Wahl«, sagte Blu beschwörend. »Wir wären auch getötet worden.«
Vill wischte sich Adaras Spucke ab, bevor sie von seinem Kinn tropfen konnte. Er verstand nicht ganz, was da vor sich ging. Statt dankbar zu sein, dass sie gerettet worden war, war das Mädchen wütend. Blu war ein kluger Mann, er war gerissen, und er hatte recht: Auch sie wäre gestorben. Ihr Verhalten war unlogisch. Sie war keine geeignete Verhandlungspartnerin, und Vill fragte sich, warum Blu ausgerechnet sie erwählt hatte.
»Bring sie zur Räson«, befahl Vill. »Oder es gibt keine Übereinkunft.«
Adara erdolchte Blu regelrecht mit ihrem Blick. »Kann sein, dass ich dir mein Leben schulde, aber nicht meine Liebe. Ich verachte dich, und ich werde dich hassen, jeden einzelnen Tag bis ans Ende meines Lebens!«
Blu stand da, immer noch blass und unsicher auf den Beinen von den unsäglichen Schmerzen, die er durch Wex’ heilende Hände erfahren hatte. Seine zuckenden Augen waren nicht in der Lage, ihrem sengenden Blick standzuhalten. Sie wanderten ziellos über die Lichtung, als suchten sie nach irgendeiner Ausflucht. Doch Blu fand keine.
»Ich gebe dir dich zurück«, sagte er schließlich.
»Was?«
»Ich erlasse dir deine Lebensschuld. Du kannst tun, was du willst. Trotzdem hoffe ich, dass du mit mir kommst.«
Vill schüttelte den Kopf. Blu enttäuschte ihn. Sein Verhalten war unlogisch, getrieben von Gefühlen. Gefühle, das waren jene Regungen, die Männer allzu oft auf den falschen Weg leiteten, weit öfter als mangelnde Intelligenz. Wieder einmal zeigte sich, wie sie versagten.
Adara war so außer sich vor Zorn, dass Vill glaubte, sie würde Blu jeden Moment angreifen. Doch sie sprach ganz ruhig.
»Ich werde das Los der Menschen teilen. Du bleibst hier bei den Ungeheuern. Sie sind jetzt deine Brüder.« Mit diesen Worten drehte sie sich um und ging zurück zum Turm.
»Eine schlechte Wahl«, erklärte Vill in dem Glauben, damit seinen wertvollen Verhandlungspartner zu trösten. »Du wirst besser dran sein ohne sie. Sie ist dumm.«
Er war vollkommen unvorbereitet auf Blus Angriff. Wäre der Flussmensch nicht so schwer verletzt gewesen, es hätte Vills Ende sein können. Auch so musste er mit aller Kraft um sein Leben kämpfen.
Blu warf sich mit allem, was er hatte, auf ihn, riss ihn zu Boden und umklammerte mit der Hand des unverletzten Arms seine Kehle, während der andere schlaff herunterhing wie ein rohes Stück Fleisch.
Vill versuchte, Blus Hand wegzuschlagen, doch der Flussmensch drückte so erbittert zu, dass es einfach nicht gelingen wollte.
Blu richtete den Oberkörper ein Stück weit auf und legte sein volles Gewicht auf den gesunden Arm.
Sofort spürte Vill den verstärkten Druck auf seine Kehle. Er bekam keine Luft mehr. Seine Sicht wurde trüb, die Gräser um ihn herum verschwammen zu waberndem grünem Dunst. Vill bohrte die Finger in die offene Wunde an Blus anderem Arm. Er spürte, wie seine Nägel sich durch weiches, verbranntes Fleisch gruben und die darunterliegenden Sehnen zu fassen bekamen.
Brüllend vor Schmerz rollte Blu sich von ihm herunter.
Vill ließ los und sprang auf die
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