Die Karte der Welt (German Edition)
keinen zu Gesicht bekommen, nickte aber verständig, als hätte er schon einmal von ihnen gehört.
»Unglaublich, diese Geschichte«, sagte er schließlich. »Vom Anfang bis zum Ende.« Er schüttelte den Kopf. »Und das mit der Karte, wir wissen jetzt, wie es funktioniert, oder?« Er warf Wex aus dem Augenwinkel einen Blick zu.
»Nein«, erwiderte Fretter entschlossen. »Das tun wir ganz und gar nicht. Sie hat uns nichts als Chaos und Verderben gebracht.«
Der Mann, der Petrich hieß, beugte sich vor. »Die Karte«, sagte er. »Zeigt sie mir.«
Er hatte einen starken Akzent. Einen, der typisch war für den Süden, wie seine eisblauen Augen und die Adlernase. Sein Umhang war schlicht, beinahe derb, nicht mehr als ein paar stümperhaft zusammengenähte Stücke Wolfsfell.
»Wer ist dieser Mann?«, fragte Fretter.
»Ein bedeutsamer Bürger von Abrogan, der ebenfalls in die Fänge der Schimmelbrüder geraten ist«, antwortete Lothario. »Zeig ihm die Karte.«
Fretter nickte und rollte zwischen sich und dem älteren Winster das kostbare Dokument aus.
Petrich streckte die zitternde Hand aus und fuhr mit dem Finger die Symbole entlang, die Dörfer und Straßen, Burgen und Garnisonen, folgte der Ersten Straße bis zur Stadt Skye mit ihrem Palast.
»Es wurde viel an der Karte gearbeitet«, sagte er erstaunt. »Existiert all dies wirklich?«
»Ja«, antwortete Lothario. »Die Lande von Abrogan unter der Herrschaft von Fürst Kryst erstrecken sich von der Großen Küstenstadt bis zu diesem Berg in unserem Rücken.«
»Dann war uns mehr Erfolg beschieden, als wir selbst in unseren wildesten Träumen zu hoffen gewagt hatten. Das Land ist unser!« Er wandte sich seinen Begleitern zu.
Die beiden lächelten, entweder weil sie es genauso sahen oder um nicht sein Missfallen zu erregen. Wex war nicht ganz sicher, was davon zutraf.
Aber der erfreute Gesichtsausdruck war schnell wieder verschwunden, als Petrich mit kalten Augen Wex fixierte. »Doch jetzt wirst du wiedergutmachen, wofür tausende ihr Leben ließen«, sagte er mit grimmiger Stimme.
»Das tut mir leid«, erwiderte Wex, ohne genau zu wissen, was er eigentlich getan hatte.
»All die Monstrositäten, die ihr beschrieben habt, wir haben sie vertrieben, in fünfzig Jahren der nimmermüden Anstrengungen. Die Kranken, das fahrende Volk, die Zwerge und die Düsterlinge. Sogar den Drachen haben wir verjagt, obgleich wir warten mussten, bis er an einem Tag seiner Wahl aus freien Stücken nach jenseits der Rauchhöhen flog. Wir Sterblichen konnten ihn nie dazu bewegen. In Schiffen kamen wir im Jahr der großen Stürme über die Weiten des südlichen Meeres. In zweiter Generation, Nachkommen der ersten Siedler aus Artung und Fretwitt, breiteten wir uns über diese Lande aus. Doch es lebten Unerwünschte hier und wilde Tiere. Mit Mann, Speer und Blut trieb Krystal der Zweite die Unerwünschten in die Berge, weg von den fruchtbaren Fluren, auf dass wir, die Guten und Rechtschaffenen, sie in Besitz nehmen konnten.«
»Krystal?«, fragte Wex. Die Zwerge hatten diesen Namen benutzt.
Kraven tippte ihm auf die Schulter. »Ein entfernter Vorfahr unseres Fürsten Kryst.«
»Diese wackeren Männer dürften an die vierhundert Jahre alt sein«, erklärte Lothario, und sogleich erhob sich ängstliches Gemurmel unter dem Rest der Gruppe. »Sie waren schon hier, als der Schleier über das Land fiel.«
»Oh nein«, widersprach Petrich. Er deutete auf die Karte, auf die rot verschmierte Stelle, unter der jenes alte, unbekannte und mit P beginnende Wort stand. Mit einem Mal begriff Wex, was es bedeutete: Petrich.
»Nicht nur war ich an Ort und Stelle, als der Schleier fiel«, verkündete er. »Ich bin derjenige, der ihn rief.«
Alle am Feuer verfielen in verblüfftes Schweigen. Falls jemand Zweifel bezüglich Petrichs Behauptung hegte, behielt er sie für sich.
»Wir waren darin gefangen, als er fiel«, fuhr Petrich fort. »Wir beschworen ihn auf unsere eigenen Köpfe herab. Ein Fehler. Er hätte nicht über uns kommen sollen, sondern lediglich über jene finstren Lande, die der Junge ihm nun entrissen hat.« Bei diesen Worten legte er die Stirn in tiefe Falten und warf Wex einen Blick zu, der direkt aus den Tiefen der Hölle zu kommen schien. »Er hat sich eingemischt in die Angelegenheiten der Herrschenden, unsre noblen Anstrengungen zunichtegemacht und das Blut unsrer gefallenen Brüder beschmutzt.«
»Lasst Gerechtigkeit walten«, unterbrach Kraven. »Wexford wusste von alldem
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