Die Karte der Welt (German Edition)
Fretter.
»Was ist das?«, fragte einer der Soldaten, ein adlergesichtiger Mann namens Gill. Er deutete auf ein kleines Sims, etwa in der Größe eines kleinen Bettes, das aus der Mauer ragte. Der Rand war von einer Art Rinne eingefasst, die in eine Schale mündete.
»Eine denkbar unbequeme Bettstatt?«, witzelte Lothario.
Wex ging näher heran. »Nein, das ist eine Schlachtbank. Für große Tiere. Diese Rinne da ist für das Blut.« Er lächelte, zufrieden mit sich selbst, weil er den Soldaten etwas hatte erklären können.
»Wartet!« Kraven drängte sich nach vorn. Er sah jetzt noch besorgter aus als zuvor. »Was wissen wir über dieses Volk?«
»Aha, da ist ja endlich einer von ihnen«, rief Lothario und deutete auf eine Gestalt, die auf sie zukam. »Wir werden ihn einfach fragen.«
Es war ein Mann. Nicht gerade gut gekleidet, wie Wex sah. Ein Lendenschurz aus Tierfell, das war alles, und seine Haut war mit violetten Punkten tätowiert. Der Mann ging jetzt langsamer und inspizierte die Neuankömmlinge. Offensichtlich zählte er, wie viele sie waren. Schließlich wanderte sein Blick zu dem Pfad hinter ihnen.
»Er sieht krank aus«, bemerkte Fretter.
Kraven zog sich murmelnd aus der vordersten Reihe zurück und zählte mit gerunzelter Stirn alles auf, was er über sie wusste. »Sie leben in einem Kessel und bauen auf einer Lichtung Fallen aus Baumstämmen. Ihr Territorium ist unwegsam und matschig, das Gebäude darauf eine Fälschung mit einer Schlachtbank.«
»Heda!«, rief Lothario dem Mann zu und schwenkte ein weißes Stofftaschentuch als Zeichen, dass sie friedliche Absichten verfolgten. Der Mann setzte sich wieder in ihre Richtung in Bewegung, und Lothario bedeutete einem seiner Soldaten, ihm entgegenzugehen. »Alvin, begrüße ihn auf halber Strecke. Lass deine Waffen stecken«, wies er ihn an. »Die Größe unserer Gruppe könnte ihn einschüchtern.«
Alvin, einer der älteren Soldaten, mit langem, wohlgepflegtem Bart, auf den er sichtlich stolz war, ging dem Fremden entgegen. Sie begegneten sich am anderen Ende der Mauer, wo sich sogleich drei weitere Gestalten mit seltsam watschelndem Gang zu ihnen gesellten. Wex konnte nicht eindeutig sagen, ob es Frauen oder Männer waren. Sie waren tätowiert und vollkommen verdreckt, genau wie der andere. Ihre Gesichter blieben hinter langen, verfilzten Haarsträhnen verborgen, und sie bewegten sich mit großer Vorsicht. Anstatt den Besucher freundlich zu begrüßen, schienen sie Alvin eher einzukreisen.
Kraven legte Wex eine Hand auf die Schulter. »Komm, Junge«, sagte er. »Man muss nicht schneller laufen können als der Bär. Man muss nur schneller sein als alle anderen, die vor dem Bären davonlaufen.«
»Was? Ich verstehe nicht ganz …«
»Ich auch nicht, aber ich denke angestrengt darüber nach.«
Die Dinge entwickelten sich schneller, als Wex lieb war. Diese Leute waren eindeutig nicht die fortschrittlichen Baumeister, als die das Gebäude sie aus der Entfernung hatte erscheinen lassen.
»Ich habe es!«, rief Kraven plötzlich.
»Was?«, erwiderte Fretter flüsternd und gab Kraven zu verstehen, er solle die Stimme senken und keine hektischen Bewegungen machen, um die primitiven Bergbewohner nicht zu erschrecken.
»Wir kamen her, weil wir das Gebäude gesehen haben«, erklärte Kraven, der mit jedem Wort aufgeregter statt ruhiger wurde. »Aber das Gebäude ist eine Täuschung. Es dient lediglich dazu, uns hierherzulocken, in den Krater, an ihre Tafel.«
»Was willst du uns mit deiner Rede sagen?«, fragte Lothario.
»Das hier ist eine Falle. Diese Leute sind Fallensteller.«
Zunächst begriffen sie nicht, was er meinte. Fretter, Lothario, Wex und auch alle anderen, die in Hörweite standen, starrten ihn nur verständnislos an.
»Für Menschenopfer, ihr Narren!«
Fretter blies pfeifend den Atem aus, und mit einem Mal wünschte Wex, sie hätten ihn auf der Lichtung zurückgelassen.
Lothario rief Alvin zu, er solle sein Schwert ziehen, aber es war zu spät. Wehrlos stand er da, als die vier Gestalten sich mit gierigen Händen und Zähnen auf ihn stürzten.
Hinter der Mauer kamen jetzt noch mehr der buckligen Einwohner hervorgesprungen. Den watschelnden Gang hatten sie auf wundersame Weise abgelegt, brachen flink wie Wiesel aus ihren Verstecken und rannten durch den Morast, ohne auch nur das kleinste bisschen an Geschwindigkeit zu verlieren. Erst waren es zehn, dann fünfzehn, und immer mehr schnitten Alvin vom Rest der Gruppe ab. Wex sah
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