Die Karte der Welt (German Edition)
Brynn und schaute zu Lothario hinüber, der mit Fretter ihren Rückzug deckte.
Mit einem Stöhnen zog Wex die Tochter des Grafen auf die Beine. »Geh jetzt, dummes Frauenzimmer!«, brüllte er sie an und schob sie hinter Kraven her. Als sie immer noch zögerte, verpasste er ihr mit dem Stiefel einen Tritt in das gesunde Hinterteil.
Unterdessen hatte Cirilla ihre Waffe gezogen und eilte zu Lothario und Fretter. Wex dachte daran, wie Brynn Lotharios Tapferkeit bewundert hatte, und folgte aus einem spontanen Impuls heraus der kleingewachsenen Frau – etwas, das er sich noch vor einer Woche nicht im Entferntesten hätte vorstellen können. Hätte er Zeit gehabt, über sein Tun nachzudenken, er hätte sich gefragt, wie er überhaupt auf die Idee kam. Doch er hatte keine, also schwang er das rostige Schwert seines Vaters und rannte los.
Lothario fing die beiden mit einer herrischen Handbewegung ab und befahl ihnen zu fliehen. »Geh du mit ihnen, Fretter«, fügte er hinzu und starrte mit blitzenden Augen auf die Angreifer. »Ich habe uns gegen deinen Rat in diesen Hinterhalt geführt. Das ganze Fiasko ist meine Schuld, und ich allein werde den Rückzug decken.«
»Hauptmann, ich muss aufs Entschiedenste …«
Etwas fiel von oben herab und riss sie beide zu Boden. Zwei Kraterbewohner hatten sich von der Palme über ihnen auf sie gestürzt.
Entsetzt beobachtete Wex, wie Fretter und Lothario zu seinen Füßen um ihr Leben kämpften. Und noch während er dastand und zögerte, raste ein weiterer Schatten an ihm vorbei.
Es war Arkh. Er hatte die Handschuhe beiseitegeworfen. Seine Klauen schimmerten in der feuchten Hitze, und schneller, als Wex’ Augen folgen konnten, fuhren sie durch die Luft.
Die Wilden rollten von Fretter und Lothario herunter, das violette Fleisch an ihren Kehlen in Fetzen hängend. Tot. Die Wildheit von Arkhs Attacke erschreckte Wex kein bisschen weniger als die anderen Gräuel, die er auf der Lichtung gesehen hatte. Arkh zog Fretter hoch, während Lothario aufsprang und sich zwei weiteren Angreifern entgegenwarf, die aus dem Dickicht stürmten. Die anderen Monster fielen inzwischen über die verkrüppelten und erschlagenen Pferde her. Die Neuankömmlinge waren dezimiert und auf dem Rückzug, und jetzt witterten sie ihre Chance, das Ganze zu beenden. Wex sah Dutzende von Augenpaaren, die am Rand der Lichtung durch die Blätter starrten.
»Lauft!«, brüllte Lothario und reckte den Angreifern sein blutiges Schwert entgegen. »Ich werde euch ein Zeichen geben, wenn sie kommen.« Er deutete auf den Pfad. »Ich bin dein Hauptmann, Fretter, und das ist ein Befehl.«
Und endlich flohen sie, Cirilla voran. Sie lief schneller, als man hätte meinen können, sprang flink wie eine Maus über Hindernisse hinweg, und Arkh scheuchte Wex hinter ihr her, schob ihn an den Schultern vorwärts, wenn es sein musste. Fretter übernahm die Nachhut, drehte sich, irgendetwas in sich hineinmurmelnd, immer wieder um. Sie waren etwa eine Furchenlänge weit gekommen, als sie Lotharios letzten, gellenden Schrei hörten.
Fretter kam strauchelnd zum Stehen. Das Schwert schlaff in der Hand, drehte er sich um, das Gesicht eine Maske des Grauens.
»Wir müssen weiter«, erklärte Arkh ruhig. »Er hat uns etwas mehr Zeit verschafft. Aber ab jetzt werden wir verfolgt.«
12
Der Pfad spuckte Wex und die anderen Nachzügler auf eine weite, offene Fläche aus, wo der Rest der Gruppe bereits mit den beiden überlebenden Lastpferden auf sie wartete. Im ersten Moment war Wex erleichtert, wieder mit den anderen vereint zu sein, doch dann sah er die nervösen Blicke, mit denen die Soldaten die umstehenden Felswände musterten.
»Eine Schlucht, wie praktisch«, bemerkte Cirilla.
»Die nächste Falle«, fügte Arkh grimmig hinzu.
Wex stöhnte. »Sie wollten, dass wir diesen Pfad nehmen.«
»Schön, euch alle zu sehen«, meldete sich Pinch zu Wort. »Wir dachten schon, wir müssten ohne euch sterben. Und, sagte ich nicht, dass sie uns wahrscheinlich genau hier haben wollen?«
»Lothario ist tot«, erklärte Arkh, ohne Fretter die Gelegenheit zu geben, die bestürzende Nachricht selbst zu überbringen.
Außer Fretter waren von der Kompanie nur noch Poppy, der Koch, und sechs Soldaten übrig: die adligen Winster-Brüder, drei ältere Palastwachen und der völlig verängstige Spärling, der kaum älter war als Wex selbst. Als sie die bittere Neuigkeit hörten, sackten sie förmlich in sich zusammen, als wäre mit einem Schlag jeder
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