Die Karte der Welt (German Edition)
Höhle kein Lüftchen rührte. Gerade, als er sich fragte, was hier vor sich ging, sah er seinen Atem: eine kleine weiße Wolke.
Eine Eidechse, die es unter das dünne Schweinsleder seiner Kniehosen geschafft und gerade ihre Zunge in seinen Oberschenkel gebohrt hatte, zuckte einmal kurz, dann löste sich ihr Biss, und sie fiel zu Boden. Auch die anderen entledigten sich nun Stück für Stück der geschuppten Blutsauger, die sich immer langsamer bewegten und schließlich wie am Boden festgefroren innehielten. Wex drehte sich um und sah Kraven keuchend an der Höhlenwand lehnen.
»Eidechsen können sich bei Kälte nicht bewegen«, stöhnte der Magier und brach dann erschöpft zusammen, die Karte auf seinem Schoß.
»Tatsächlich?«, fragte Pinch, hob zwei davon auf und schlug sie gegeneinander wie ein Paar Stiefel, das es vom Schlamm zu befreien galt.
»Sein Zauber hat funktioniert!«, rief Wex. »Er hat es kalt werden lassen!«
Einen Moment lang schwiegen alle ergriffen ob dessen, was Kraven für sie getan hatte. Jegliche Prahlerei war von dem Magier abgefallen. Er schien keine Energie mehr zu haben, nicht einmal mehr für ein Lächeln. Kraven war einfach nur erleichtert.
»Ich glaube, ich muss einiges von dem zurücknehmen, was ich gesagt habe«, murmelte Pinch.
Dann machten sich alle an die widerliche Aufgabe, die nicht gerade kleinen Parasiten zu entfernen. Brynn hatten zwei erwischt, und sie war arg gebeutelt. Wex versuchte, sie zu trösten, aber sie stieß ihn weg, völlig verängstigt und nicht willens, sich von etwas oder jemandem berühren zu lassen. Spärling, dessen schmächtiger Körper von Haus aus nicht über viel Blut verfügte, hatte es am schlimmsten erwischt. Er hatte vier Bisse und musste sich sofort neben Kraven auf den Höhlenboden legen. Mungo und Poppy ging es nicht ganz so schlecht, weil sie den Blutverlust dank ihres massiven Körperbaus einigermaßen ausgleichen konnten. Pinch und Fretter schienen am wenigsten gelitten zu haben. Pinch war den gierigen Blutsaugern flink ausgewichen, und Fretter hatte sie reihenweise mit schnellen und präzisen Stößen seines schlanken Baselard-Dolches aufgespießt.
Dass niemand in der Höhle sein Leben gelassen hatte, erschien Wex wie ein Wunder. Er dachte über seine Entscheidung nach, sich dem Abenteuer anzuschließen, und kam schnell zu dem Schluss, dass er den Verstand verloren haben musste. Er war weder Soldat noch Hofmaler, und er konnte nicht mehr nachvollziehen, wie er auf die Idee gekommen war, er könnte jemals einer werden.
Er versuchte sich zu erinnern, ob Lothario und Fretter ihn mit schönen Worten überredet hatten. »Abenteuer« und »Ruhm« hatte Elger immer gesagt, seien Worte, mit denen Offiziere Narren gerne zu gefährlichen Unternehmungen überredeten. Und genau das war jetzt geschehen. Doch von Abenteuer und Entdeckerruhm waren nur noch Schrecken und Tod geblieben. Ein Drittel des Trupps war hingeschlachtet worden, Männer, die heute Morgen noch quicklebendig gewesen waren. Lothario, der lächelnd mit Wex und seinem Vater am Tisch gesessen hatte, war gestorben, und das auf nicht besonders ruhmreiche Weise. Wex dachte an Elger, wie er in Ruhe und Frieden Zäune reparierte. Es würde ihm das Herz brechen, wenn Wex nicht zurückkehrte. Einsam und allein wäre der Mann bald überfordert mit der Arbeit, die bei der Schweinezucht anfiel. Und was war mit Brynn? Was dachte sie wohl? Wex schaute zu ihr hinüber. Mit leeren Augen und schlaffen Gliedern hockte sie da und schien gar nichts zu denken. Fretter hatte recht: Sie gehörte nicht hierher. Wex ließ den Blick durch die kleine, nach Eidechsenscheiße stinkende Hölle wandern. Na, wie gefällt dir der Palast, in den sie dich gebracht haben? , dachte er.
Sie sammelten die Eidechsen auf und warfen sie in der Mitte der Höhle auf einen Haufen. Es waren mehr als hundert, und Kraven warnte sie, dass die lähmende Kälte nicht mehr lange anhalten würde.
»Es ist eng hier drinnen«, erklärte er, »und in kleinen, abgeschlossenen Räumen funktioniert meine Magie recht gut. Doch es ist warm draußen, und das Equilibrium wird bald wiederhergestellt sein.«
Wex hatte nicht die geringste Ahnung, was ein Equilibrium war, und falls die anderen mehr wussten als er, so sagten sie es ihm nicht.
»Was sollen wir also mit ihnen machen?«, fragte Cirilla.
Mungo stieß ein wütendes Knurren aus und zertrampelte mit seinen geschwächten Beinen eins der Tiere.
»Wir könnten sie verbrennen, sollte
Weitere Kostenlose Bücher