Die Karte der Welt (German Edition)
Wex davon, und er konnte nur hilflos vom Heck aus zusehen, wie das wunderschöne Mädchen mit dem rabenschwarzen Haar in der Ferne verschwand. Vielleicht kann ich ja doch lernen, wie man Gesichter zeichnet , dachte er. Die betörende Tochter des Dido war einen Versuch auf jeden Fall wert.
21
»Über die freien Felder hier«, sagte Fretter und fuhr mit dem Finger über Wex’ frische Zeichnungen, »sollten wir gut vorankommen. Dann weiter zu dem X, das unser ursprüngliches Ziel markiert. Von dort sind es nur noch zwei Tage bis Abrogan.«
An einer grasbewachsenen Uferböschung hatten sie sich um die Karte herum versammelt. Bello hatte sie hier abgesetzt und sich dann auf den Rückweg gemacht. Wex und Kraven knieten mit Fretter am unteren Ende. Die Winster-Brüder flankierten ihren Hauptmann wichtigtuerisch, während Alver auf der anderen Seite mit seinem Schwert beschäftigt war. Spärling hatte sich wieder erholt, auch wenn er schwor, dass die bitteren Tränke, die die Flussfrau ihm verabreicht hatte, den Heilungsprozess eher verlangsamt als beschleunigt hatten. Curdwell hockte am Südende der Karte, ließ den gewohnt missmutigen Blick über die Gruppe schweifen und brummte vor sich hin, wie viel Glück sie doch gehabt hätten, nach zwei Nächten mit »diesem verlausten Landstreicherpack« überhaupt noch ihre Kleider am Leib zu tragen. Auch Brynn betrachtete die Karte, hielt sich aber ein gutes Stück abseits von den Winster-Brüdern.
»Deine Zeichnung ist vortrefflich, Wex«, sagte sie mit einem Lächeln.
Wex zuckte die Achseln. Brynn war immer noch hübsch, aber ihr einfaches Kompliment war nichts im Vergleich zu Adaras verlockender Bitte, sie zu zeichnen. Er fragte sich gerade, ob die Tochter des Dido ebenso halb nackt Modell stehen würde, wie sie getanzt hatte, als Poppy ihn aus seinen Gedanken riss. Der Koch beschwerte sich über die Aussicht, bis Abrogan tagein, tagaus das gleiche getrocknete Zeug essen zu müssen, falls sie unterwegs nicht etwas Wild erlegten.
Die Schurken und Missgeburten standen abseits wie immer. Nachdem sich das Chaos der vergangenen Tage gelegt hatte, waren Pinch, Arkh, Mungo und Cirilla von den Soldaten wieder auf die angestammten hinteren Plätze verwiesen worden. Wie ein Kind saß Cirilla auf Mungos Schultern und sah sich um. Seit sie bei den Flussmenschen gewesen waren, trug Arkh statt des verlorenen Helms ein Tuch über Kopf und Gesicht. Schweigend blickte er vor sich hin. Er wusste, wie er sich unter Leuten zu verhalten hatte, die ihn fürchteten und verachteten.
»Waren meine Instruktionen präzise und eindeutig genug, Wexford?«, fragte Fretter. »Keine Überraschungen diesmal?« Es lag ein Anflug von Verhörton in der Stimme des Hauptmanns.
»Ich bin jedes Mal selbst überrascht, wenn ich eine neue Landschaft entdecke«, erwiderte Wex.
»Werd nicht frech, Junge. Diese Angelegenheit ist von größter Wichtigkeit.«
»Das hier ist der richtige Pfad. Ich weiß nicht, was wir dort finden werden.«
Fretter nickte. Er war nicht zufrieden mit Wex’ Antwort, wusste aber, dass er nicht mehr aus ihm herausbekommen würde.
Kraven erklärte: »Unsere Gastgeber meinten, wir sollten uns am besten an die freien Flächen halten. Außerdem, so sagten sie, könnten wir unterwegs einer kleinen Gruppe von Leuten begegnen, mit denen sie öfter Handel treiben. Im Gegensatz zu den Flussmenschen haben diese Leute Waffen, und sie mögen es nicht, wenn sie größeren Gruppen begegnen. Wir sollten uns von ihnen fernhalten, außer im Fall einer erneuten Notlage.«
»Ja.« Fretter nickte und wandte sich dann an die ganze Gruppe. »Und sie erwähnten gehörnte Kreaturen, die in den Wäldern lauern. Primitive, zweibeinige Geschöpfe. Sie nennen sie Düsterlinge. Sie scheinen wild und gefährlich zu sein, treten aber nur in kleinen Pulks auf und greifen rein instinktgesteuert und von Hunger getrieben an, wie ein Rudel wilder Hunde. Es sollte ein Leichtes sein, ihnen aus dem Weg zu gehen.« Fretter rollte die Karte zusammen und verstaute sie in seinem Köcher. Zum ersten Mal, seit Lothario sie zum Krater hinaufgeführt hatte, schienen die Aussichten gut. Das Ziel lag klar vor Augen, und endlich fand auch Fretter die einem kommandierenden Hauptmann gebührende Stimme: »Abmarsch, Männer! In zwei Reihen, die Winsters voran. Curdwell und Alver gehen am Ende. Die Dame von Zornfleck bleibt in der Mitte. Und Poppy, halte deinen Bogen bereit für den Fall, dass wir unterwegs ein lohnendes Ziel für
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