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Die Karte der Welt (German Edition)

Die Karte der Welt (German Edition)

Titel: Die Karte der Welt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Royce Buckingham
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sie sofort als Bäume am Flussufer erkannte.
    Kraven schüttelte staunend den Kopf, als scheinbar bedeutungslose Linien und verschmierte Flecken vor seinen Augen wie von Zauberhand zu einem Flusslauf verschmolzen.
    Selbst der stocksteife Fretter konnte nicht umhin, nach einer Weile neugierig den Kopf zu recken, und von da an folgte er jeder Bewegung des Federkiels – sogar dann, wenn Wex ihn von der Karte hob, um neues Blut aufzunehmen.
    Wex hingegen beachtete keinen der beiden. Die Bühne gehörte nun ihm ganz allein. Nach der dritten Biegung hielt er inne und runzelte die Stirn.
    Fretter begann bereits, unruhig mit dem Fuß zu wippen, da lockerte Wex kurz die Schultern und brachte sein Werk schnell zu Ende. Es wurde eine krumme, hässliche Windung im Flusslauf, ganz anders als die übrigen drei, und noch bevor er wusste, was seine Hand da tat, hatte er das Wasser schon umgeleitet und über eine scharfe Klippe in den Abgrund stürzen lassen.
    »Von einem Wasserfall war nie die Rede!«, rief Fretter entsetzt aus.
    »Es ist das Einzige, was an dieser Stelle einen Sinn ergibt«, entgegnete Wex.
    »Wohin fällt das Wasser?«, fragte Kraven.
    »Soll ich es zeichnen und herausfinden?«
    »Nein, nein!«, fuhr Fretter dazwischen. »Mach jetzt mit dem Pfad weiter, der uns um den Berg herumführt.«
    Die Flussbiegungen waren die Orte, an denen das fahrende Volk sich mit Käufern und anderen Händlern traf, um Güter zu erwerben, zu verkaufen und einzutauschen. Die erste Biegung schien am besten geeignet, um den Pfad dort beginnen zu lassen. Der Baumbestand wäre dort weniger dicht, der unwegsame Wald zurückgedrängt von ausgedehnten, flachen Wiesen, die gut für ein schnelles Fortkommen geeignet waren. Außerdem kämen sie dann in die Nähe des X, das er für Pinch gezeichnet hatte. Wex ließ einen Tropfen Blut auf seine Handfläche fallen, verdünnte ihn mit Spucke und verteilte sie dann auf der Karte. Die hellrosa schattierte Fläche sollte eine karg bewachsene Ebene darstellen, die vom Fluss wegführte. Dann setzte er den Kiel an und zeichnete zwei spitze, zerklüftete Gipfel, deren Baumbewuchs sich bis hinunter in die Graslande der Zornberge erstreckte, die zwischen ihnen und Abrogan lagen. Der breite Sattel dazwischen war niedrig und nur spärlich mit Bäumen bewachsen.
    »So«, sagte Wex schließlich. »Viel einfacher als der Weg, der über den Krater der Schimmelbrüder führt.«
    »Was ist das für ein Symbol?«, fragte Fretter und deutete auf zwei parallele Linien.
    Wex dachte nach. »Ein Pfeil, der uns die Richtung weist?« In Wahrheit wusste er jedoch selbst nicht, was er da gezeichnet hatte oder warum. Vielleicht nur eine kleine Struktur im Gelände, ohne besondere Bedeutung . Anfangs waren ihm die zwei Striche an dieser Stelle genau richtig erschienen, aber jetzt, da er darüber nachdachte, fand er sie etwas zu symmetrisch, als dass sie einen Baum oder einen Hügel oder sonst irgendein Landschaftsmerkmal hätten darstellen können. Aber ganz gleich, was es war, es lag weitab von ihrem Fluchtweg, und Fretter rümpfte zwar die Nase, aber er schien es zu akzeptieren.
    Kraven wirkte nervös. »Nun gut. Wollen wir mal sehen, wo du uns diesmal hinbringst.«
    Fretter rückte seinen Schwertgürtel zurecht, dann öffnete er die Tür, um Wex aus der Kabine zu lassen. »Nach Hause, will ich hoffen.«
    Als sie das Schiff des Dido verließen, war flussabwärts nichts mehr vom Schleier zu sehen.
    »Du hast es wieder einmal geschafft«, flüsterte Kraven aufgeregt wie ein Kind. Er war jetzt weit weniger besorgt, denn immerhin hatte Wex’ letzte Zeichnung ihnen diesen angenehmen Aufenthalt bei den lebensfrohen Flussmenschen beschert und keine bei lebendigem Leib verfaulende Mörderbande oder blutsaugende Eidechsen.
    »Nein, Ihr wart es diesmal. Schon vergessen?« Wex deutete auf die Leute in den Booten um sie herum, die abwechselnd flussabwärts und dann wieder ehrfürchtig auf Kraven starrten.
    »Ja, selbstverständlich«, erwiderte Kraven und straffte sich. Das Grinsen auf seinem Gesicht war schwer zu erkennen, aber Wex sah es, wie es durch die ernste Maske des Magiers hindurchschien.
    Fretter rief die Gruppe auf einem großen Floß aus roh behauenen Baumstämmen zusammen. Sie bedankten sich bei ihren Gastgebern und brachten Proviant sowie Ausrüstung an Bord. Poppys Vorratssack war bis oben hin gefüllt mit getrocknetem Fisch, Gemüse und gemahlenen Kräutern. Sie nahmen nur wenig Wasser mit, denn sie waren sicher,

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