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Die Karte der Welt (German Edition)

Die Karte der Welt (German Edition)

Titel: Die Karte der Welt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Royce Buckingham
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ich recht?«
    Mittlerweile blickten ihn alle unverhohlen an. Wex erinnerte sich, wie schnell Pinch klettern konnte, wie geschickt seine Hände waren und wie lautlos er sich bei ihrer ersten Begegnung an ihn herangeschlichen hatte. Arkh war zwar stärker, aber Kraft war in dieser Angelegenheit weit weniger gefragt als Schnelligkeit, und Pinch konnte rennen wie ein Hirsch. Er war ganz klar die erste Wahl.
    Pinch seufzte. »Fretter, zieht auch Ihr diese Idee allen anderen vor?«
    »Das tue ich«, erklärte Fretter. »Bedaure.«
    »Und was, wenn diese netten Tierchen plötzlich aufwachen, während ich noch dort unten bin und Stöckchen aufsammle?«
    Fretter überlegte einen Moment. »Wenn sie erwachen sollten, werden wir nicht von dir erwarten, dass du versuchst zurückzukommen, nur um gemeinsam mit uns zu sterben. In diesem Fall, flieh und preise dein glückliches Schicksal.«
    »In Ordnung«, erwiderte Pinch. Damit war die Sache beschlossen.
    Wex wurde als der beste Werfer in der Gruppe angewiesen, Fichtenzapfen zwischen die Tiere zu schleudern, ohne sie zu treffen, um zu sehen, ob eines von ihnen womöglich wach war.
    »Irgendeins von den Biestern aufgewacht?«, fragte Pinch, nachdem Wex das zehnte Wurfgeschoss abgefeuert hatte.
    »Wenn, dann verbergen sie es gut«, antwortete Cirilla vom Nachbarbaum aus.
    »Welch tröstlicher Gedanke«, brummte Pinch. Er ließ den Blick über die Gruppe schweifen und lächelte grimmig. »Nun gut. Dann werde ich mal einen kleinen Spaziergang machen.«
    Mungo schob sich auf einem der kräftigen unteren Äste nach außen, bis sein Gewicht die Spitze fast bis zum Boden hinunterbog, und Pinch schlüpfte, balancierend wie ein Jahrmarktartist, an ihm vorbei. Der Ast hing immer tiefer, je näher er dem Ende kam, und schließlich wurde er so schmal, dass Pinch nicht mehr weiterkonnte. Er befand sich jetzt genau auf einer Höhe mit den feuchten Schnauzen der im Stehen schnarchenden Vierbeiner. Wex sah, wie Pinch den Ast festhielt, damit er nicht geräuschvoll zurückschnalzte, während er sich leicht wie eine Feder zu Boden gleiten ließ. Vorsichtig entließ er den Ast zurück in seine natürliche Position, dann stand er inmitten der Herde.
    Oben in den Bäumen hielten alle den Atem an.
    Pinch rührte sich zunächst nicht von der Stelle und drehte lediglich den Oberkörper, um zu sehen, ob eins der Tiere seine Witterung aufnahm und erwachte. Doch die Bestien schliefen tief und fest. Sie verharrten derart reglos, dass man sie für Standbilder hätte halten können, wären da nicht die sich mit jedem Atemzug hebenden und senkenden gewaltigen Brustkörbe gewesen.
    Pinch wagte einen Schritt, glitt an dem ersten Rind vorbei, dann am nächsten. Wex staunte, wie die Füße des Diebs geradezu über den Boden hinwegzuschweben schienen. Nicht ein einziges Zweiglein knackte unter seinen Schritten, und kein Blättchen raschelte. Nicht einmal das Gras schien sich zu bewegen, als er die Lichtung erreichte. Dann rannte Pinch los, und falls er dabei irgendein Geräusch machte, hörte Wex es zumindest nicht.
    Alle schauten von den Bäumen aus zu. Als Erstes spurtete Pinch zu den herumliegenden Pfeilen, hob sie auf und steckte sie so geschwind zurück in den Köcher, dass die Bewegungen im Mondlicht kaum zu erkennen waren. Der Umhängegurt war gerissen, weshalb Pinch den Köcher mit der Hand tragen musste. Der Bogen lag nicht weit entfernt. Pinch pflückte ihn mit einer schnellen Bewegung aus dem Gras, machte auf dem Absatz kehrt und war bereits wieder auf dem Rückweg.
    Dann erstarrte er.
    Der Leitbulle stand am Rand der Lichtung, genau zwischen ihm und dem Rest der Gruppe, die Augen weit geöffnet und alles andere als schlafend.
    Pinch sah sich um. Er war nahe genug am Waldrand, um einen Fluchtversuch wagen zu können, und er war ein schneller Läufer. Bis der schwere Bulle Geschwindigkeit aufgenommen hatte, wäre er bereits im Unterholz verschwunden – frei und jeglicher Pflicht enthoben, die ihn noch bis vor wenigen Augenblicken an Fürst Kryst gebunden hatte. Er musste lediglich losrennen und die anderen ihrem Schicksal überlassen.
    Fretter seufzte deprimiert.
    Der Bulle hatte es nicht eilig. Er schien zu wissen, dass Pinch auf und davon wäre, sobald er sich zu hastig bewegte. Stattdessen schlich er mit den bedächtigen Bewegungen einer Raubkatze, die mit aller Sorgfalt ihren Angriff vorbereitete, auf die Grasfläche zu.
    »Lauf«, flüsterte Wex mit angehaltenem Atem, als könne er Pinch befehlen,

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