Die Kastratin
glänzen.«
Darauf wussten die Mönche nichts zu erwidern. Sie kannten Giovanni Pierluigis Einfluss auf Pius IV . und hatten wenig Lust, ihre prestigeträchtige Stellung in Santa Maria Maggiore zu verlieren und einem anderen, weniger bedeutenden Chor zugeteilt zu werden. Kurz tuschelten sie miteinander und verabschiedeten sich dann so freundlich von Palestrina und Giulia, als hätte nie ein Wölkchen das Verhältnis zwischen ihnen getrübt. Fra Mariano ging sogar auf Giulia zu und wollte sich mit einer Umarmung bei ihr entschuldigen. Giulia konnte sich ihm jedoch entziehen, da Palestrina sie gerade ansprach. »Wenn du willst, kannst du mit zum Abendessen kommen. Meine Frau kocht heute Lamm in Basilikumsoße.«
»Ich fühle mich geehrt.« Giulia verbeugte sich erneut, konnte aber dann doch ihre Neugier nicht ganz verbergen. »Verzeiht, Meister Pierluigi. Aber es wundert mich, dass Ihr als verheirateter Mann mit der Leitung des Chores von Santa Maria Maggiore betraut worden seid. Diese Stellung steht doch eigentlich nur einem Mann des geistlichen Standes zu.«
»Seine Heiligkeit wollte eben den Besten auf diesem Posten haben«, erwiderte Palestrina selbstbewusst. »Das Urteil Giovanni Angelo de Medicis ist über jeden Zweifel erhaben.« Giulia stimmte ihm nicht nur zu, um ihm zu schmeicheln, denn sie hatte schon viel von dem ausgezeichneten Kunstverstand des gegenwärtigen Papstes gehört.
Beim Abendessen erwies sich Palestrina als unterhaltsamer Gesprächspartner. Giulia war glücklich, denn noch nie hatte sie so intensiv und tief schürfend mit jemand über Musik reden können. Sein Urteil über einige der bekannten Komponisten war schlichtweg niederschmetternd. Er erkannte nur einige wenige Meister ihres Faches als ihm beinahe gleichwertig an und ging auf deren spezielle Eigenheiten ein. So sprach er lobend von Orlando di Lasso, der in die Dienste Herzog Albrechts V. von Baiern getreten war, und gönnte auch Andrea Gabrieli, der, wie er sagte, in seinen ersten Jahren sein Vorbild gewesen sei, einige anerkennende Worte.
Auch Giulia schien vor seinen Augen Gnade zu finden, zumindest, was ihr Wissen betraf, und so ließ er sich herab, ihr einen Ratschlag zu erteilen. »Du solltest komponieren lernen, Casa-monte. Sänger vergisst man, sobald sich die Erinnerung an ihre Stimme verliert. Doch das niedergeschriebene Werk des Komponisten währt ewig.«
»Einige meiner Lieder habe ich selbst vertont.« Giulia wurde bei ihren Worten rot, denn sie war sich sicher, dass ihre Lieder nicht den Ansprüchen des Meisters genügen würden.
Palestrina sah es und lächelte beruhigend. Das gab seinem Gesicht einen väterlichen Ausdruck. »Es interessiert mich, etwas Eigenes von Euch zu hören.«
Giulia überwand ihre Hemmungen und stimmte eines der Lieder an, die Vincenzo für sie getextet hatte. Palestrina hörte ihr aufmerksam zu und nickte schließlich zustimmend. »Für den Anfang nicht schlecht, Casamonte. Ich könnte dich zwar noch nicht Seiner Heiligkeit empfehlen. Aber ich denke, du bist auf dem richtigen Weg.«
»Danke.« Giulia sagte nur dieses eine Wort, doch man konnte hören, dass ihr ein Stein von der Seele gefallen war. Von Palestrina nicht nur als Sänger, sondern auch als Komponist anerkannt zu werden, war in ihren Augen ehrenvoller als ein Ritterschlag.
Zu Hause berichtete sie Vincenzo alles, was Palestrina gesagt hatte, und diskutierte noch bis in die späte Nacht mit ihm. Dabei wurde ihr bewusst, dass sie dennoch neugierig darauf war, auch Meister Galilei kennen zu lernen.
Vincenzo war darüber sichtlich erleichtert. »Wenn du Zeit hast, können wir ihn morgen aufsuchen. Er ist schon sehr gespannt darauf, dich kennen zu lernen. Ich habe ihm nämlich schon einiges über dich berichtet.« Vincenzo erzählte noch ein wenig von seinem alten Freund, verschwieg ihr jedoch, dass dieser sich sehr verwundert über seine Verbindung mit einem Kastraten geäußert hatte. Vincenzo Galilei hatte sich gut an die kritischen und abwertenden Bemerkungen erinnert, mit denen sein Namensvetter die Sitte des Verschneidens und die Verschnittenen selbst bedacht hatte. »Morgen habe ich Zeit.« Giulia gab sich keine Mühe, ihre Vorfreude zu verbergen. Galilei war einer der berühmtesten Musiklehrer Italiens und hatte schon an so manchem Konservatorium gelehrt.
VI .
W ährend Giulia und Vincenzo mit ihrer Musik beschäftigt waren, langweilte Girolamo Casamonte sich fürchterlich. Außer den Gonfales hatte er keine engeren
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