Die Kastratin
Kurtisanenhaus in Modena bestenfalls Zuckerwasser gewesen. Auch die anwesenden Mädchen entsprachen seinem Geschmack. Es war keine direkte Schönheit dabei, aber alle schienen lebens-frohe Wesen zu sein, deren Münder zum Küssen und deren schwellenden Formen zum Zugreifen einluden.
Giulias Vater überlegte, für welches der Mädchen er sich entscheiden sollte, als die Dame des Hauses zur Seite gewunken wurde. Sie nickte ihm zu und drehte sich zu dem Bediensteten um, der sie angesprochen hatte. Casamonte konnte nicht verstehen, was der zappelige Mann hastig heraussprudelte, aber dem spitzen Schrei der Dame nach musste die Nachricht einer Katastrophe gleich kommen. »Lassaro ist krank? Madonna mia, das darf doch nicht wahr sein. Heute kommt doch der deutsche Graf. Wenn wir ihm keine Musik bieten können, sucht er sich auf der Stelle ein anderes Etablissement.«
»Können die beiden anderen Musiker denn nicht auch ohne Lassaro spielen?«, wandte eine andere Frau ein.
Signora Rivaccio schüttelte erregt den Kopf. »Nein, nein, wenn niemand ihnen den Takt angibt, spielen sie so grässlich, dass sie die Gäste vergraulen. Ohne Lassaro sind sie so hilflos, wie Ihr es ohne mich wärt.«
Kichern antwortete ihr. Anscheinend fühlten sich ihre Mädchen ohne sie nicht so hilflos, wie sie dachte. Die Hausherrin achtete jedoch nicht auf sie. »Was stehst du denn da herum, Ruvenzo, und glotzt mich an? Geh und hole einen anderen Musiker. Der Tedesco ist ein zu wertvoller Kunde, um ihn zu verärgern.«
In dem Augenblick fand Casamonte es an der Zeit einzugreifen. »Verzeiht, meine Dame. Aber ich wurde unbeabsichtigt Zeuge Eurer Unterhaltung. Vielleicht kann ich Euch helfen. Ich war einmal Kapellmeister und beherrsche selbst mehrere Instrumente.«
Die Miene der Hausherrin hellte sich sofort auf. »Ja, wirklich? Das ist ja wunderbar. Los, Bianca, hole die Musiker herein, damit der Herr sie sich ansehen kann«, befahl sie einem der Mädchen und wandte sich dann mit einem erleichterten Lächeln an Casamonte. »Ich kann Euch nicht sagen, wie dankbar ich Euch bin. Graf Waldenheim, der als Gesandter des Herzogs von Baiern am Hofe Seiner Heiligkeit weilt, ist ein sehr großzügiger Gast, den ich ungern verlieren würde, zumal er sich in meine Violetta verliebt zu haben scheint.«
Giulias Vater blickte etwas unsicher zu Boden. »Ich freue mich, Euch helfen zu können. Aber Ihr seht mich in einer gewissen Verlegenheit, da ich kein Instrument bei mir habe.«
»Das ist kein Problem. Ich habe stets einige Musikinstrumente im Haus, falls die Gäste meine Nichten spielen hören wollen. Leider besteht der deutsche Graf darauf, professionellen Musikern zuzuhören, während er Violetta seine Gunst erweist.« Donatella Rivaccio scheuchte eines ihrer Mädchen hinaus, das kurz darauf mit mehreren Instrumenten zurückkehrte.
Casamonte nahm eine Viola da Gamba zur Hand, strich liebevoll über deren geschwungenen Körper und prüfte die Saiten. Das Instrument war besser als jenes, das er als Kapellmeister des Grafen von Saletto besessen hatte. Obwohl er schon lange nicht mehr gespielt hatte, spürte er sein Blut in fiebriger Erwartung durch die Adern pulsieren. Er stimmte die Viola, setzte sie an und strich mit dem Bogen darüber. Einige klare, helle Töne erklangen.
Die Hausherrin war begeistert. »Ihr seid wirklich ein Meister, Messer Casamonte.« Dann schien ihr etwas einzufallen, denn sie legte plötzlich den Kopf schief und sah ihn nachdenklich an. »Da Euer Sohn ein berühmter Kastratensänger ist, werdet Ihr wohl wenig Wert darauf legen, Euren wahren Namen preiszugeben. Seid Ihr daher einverstanden, wenn ich Euch unseren Gästen als Herr Girolamo Girolami vorstelle?«
»Nennt mich Giroli«, bat Casamonte lachend. »Girolamo Girolami klingt mir zu sehr nach einem Räubernamen.«
»Girolamo Giroli. Ich muss sagen, dieser Name besitzt Klang.« Die Dame drückte Giulias Vater dankbar die Hände und eilte hinaus, um alles für den Empfang des Grafen vorzubereiten. Unterdessen waren auch die beiden anderen Musiker erschienen. Wenn sie sich wunderten, einen Fremden vorzufinden, so zeigten sie es nicht. Sie grüßten höflich und packten ihre Instrumente aus.
Casamonte schätzte sie als einfache Geister ein, gerade gut genug, Flöte und Chitarrone zu spielen, aber ohne größeres Können oder das wahre Verständnis für die Musik. Offensichtlich waren sie froh, in diesem Haus musizieren zu dürfen, und versicherten ihm mehrfach, dass Signora
Weitere Kostenlose Bücher