Die Kastratin
Bekanntschaften geschlossen. Da ihm der Wein allein, den er sich durch Beppo von einem Händler holen ließ, zu wenig Zerstreuung bot, beschloss er, nach einem guten Bordell Ausschau zu halten.
Es gab weitaus mehr Hurenhäuser als Kirchen in Rom, doch es hieß, sie würden die Massen der Pilger, die in die heilige Stadt strömten, kaum bewältigen können. Giulias Vater hatte wenig Interesse an den billigen Absteigen, die die armen Leute benutzten, denn dort konnte man sich schnell eine der Ekel erregenden Krankheiten zuziehen, von denen ein großer Teil der Huren befallen war. Jetzt, wo Giulia wieder genug Geld nach Hause brachte, konnte er es sich leisten, das gastfreie Haus einer Kurtisane aufzusuchen. Von einem der Nichtstuer, die an den großen Plätzen auf Fremde warteten, die sie um ein paar Scudis erleichtern konnten, wurde er schließlich zu dem Haus der Dame Rivaccio geführt, bei der Gäste seines Standes angeblich gern gesehen wurden.
Durch seine Erfahrungen in Modena gewarnt, vermied Girolamo Casamonte, zu großspurig aufzutreten. Er grüßte den Diener, der ihm die Tür der Casa Rivaccio auftat, und bat ihn höflich, eintreten zu dürfen.
Der Mann gab ihm mit ebenso freundlichen Worten den Weg frei. »Kommt herein, mein Herr. Wen darf ich der Signora melden?«
»Mein Name ist Casamonte. Ich bin neu in Rom, gedenke aber, mehrere Monate hier zu bleiben.« Giulias Vater drückte einen Scudo in die bereitwillig geöffnete Hand. Es war nicht zu viel Geld, doch der Diener schien zufrieden zu sein. Er verbeugte sich zum zweiten Mal und verschwand hinter einem Vorhang, der den Vorraum vom Korridor trennte.
Casamonte widerstand der Versuchung, ihm zu folgen, sondern setzte sich auf einen hübsch geschnitzten Stuhl, der wohl für Besucher gedacht war, und sah sich um. Eine offen stehende Tür führte in den Garderobenraum, in dem die Besucher ihre Mäntel und Übergewänder ablegen konnten, eine weitere in das Kämmerchen des Türstehers. Die Wände des Vorraums waren mit grünem Stoff bespannt und mit Bildern knapp bekleideter Frauen geschmückt. Die Einrichtung erinnerte Casamonte ein wenig an jenes Kurtisanenhaus in Modena, dessen Besuch so fatal für ihn ausgegangen war. Hier waren die Gemälde und die Dekoration mit mehr Geschmack ausgewählt worden, aber von etwas minderer Qualität. Dieses Haus wirkte auf den ersten Blick nicht so, als verkehrten übermütige Edelleute darin, die aus lauter Langeweile einem Fremden einen Tort antun wollten.
Casamonte war mit dem, was er sah, zufrieden. Es dauerte auch nicht lange, da kam der Pförtner zurück. Eine blonde Frau in einem dunkelgrünen Kleid begleitete ihn und knickste vor dem neuen Besucher. Ihre hellblauen Augen schienen ihn dabei durchbohren zu wollen. Man konnte an ihrer Stirn ablesen, dass sie noch unentschlossen war, ob sie ihn als Gast begrüßen oder mit freundlichen, aber bestimmten Worten verabschieden sollte.
Casamonte beschloss, die Initiative zu ergreifen. »Buona sera, Signora Rivaccio. Erlaubt mir, mich Euch vorzustellen. Ich bin Girolamo, der Vater des Kastratensängers Giulio Casamonte, der in den Chor von Santa Maria Maggiore berufen wurde.«
Die Frau klatschte vor Überraschung in die Hände. »Casamonte? Ist das nicht jener mutige Sänger, der mit seiner Stimme den blutrünstigen Räuber Tomasi in ein sanftes Lamm verwandelt hat?«
Girolamo Casamonte warf in gespieltem Entsetzen die Arme hoch. »Sagt es bitte nicht zu laut, sonst fühlt sich dieser Bandit womöglich bemüßigt, sich an meinem Sohn zu rächen, um seinen Ruf wiederherzustellen.«
»Kommt doch herein.« Die Frau fasste ihn am Arm und zog ihn mit sich. Dabei konnte er sie ganz von nahem betrachten. Sie mochte nicht viel älter als dreißig sein und hatte ein angenehmes Äußeres. Entweder empfing sie noch selbst Gäste, oder aber sie hatte sich erst vor kurzem aus dem Geschäft zurückgezogen, um dieses Haus zu führen. Auf alle Fälle war sie ein appetitlicher Happen, der ihn reizte. Wenn die übrigen Kurtisanen ihr das Wasser reichen konnten, hatte er mehr Glück, als er zu hoffen gewagt hatte.
Girolamo Casamonte machte nicht den Fehler, mit der Tür ins Haus zu fallen, sondern folgte der Dame brav in die große Halle, die ebenfalls in grünen Farbtönen gehalten war und nur wenige, aber ausgesucht schöne Bilder unbekleideter Frauen aufwies. Eine Dienerin brachte ihm ein Glas Wein. Er nippte davon und war sichtlich beeindruckt. Dagegen war der Wein in dem
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