Die Kastratin
Bett. Aber hier sind noch einige andere hübsche Mädchen, von denen Euch gewiss eine gefallen wird.«
Sofort eilten drei andere Kurtisanen herbei, knicksten vor ihm und boten ihm dabei einen tiefen Einblick auf die in ihren Miedern eingeschnürte Pracht. Er wagte nicht, von sich aus eine der Kurtisanen anzusprechen, sondern blickte Signora Rivaccio fragend an.
Diese nickte ihm wohlwollend zu. »Wählt ruhig aus, mein Herr. Ihr habt es Euch wahrlich verdient.«
Casamontes Blick überflog die hübsche Schar und blieb schließlich auf einem Mädchen namens Bianca haften.
VII .
G iulia hatte noch am Abend gehört, dass ihr Vater das Haus verlassen hätte, und wunderte sich nicht, als er auch am Morgen nicht wieder auftauchte. »Er wird sich wieder einmal bei den Huren aufhalten. Solange er nicht in Kalamitäten kommt, soll es mir recht sein«, sagte sie zu Vincenzo und blickte ihn auffordernd an. »Gehen wir zu Meister Galilei?«
Vincenzo grinste übermütig. »Gerne, aber erst nach dem Frühstück.«
Giulia drängte ihn nicht, sondern ließ es sich ebenfalls schmecken, nahm aber von allem nur wenig. Vincenzo spöttelte ein wenig über ihre Zurückhaltung.
Unwillig schüttelte sie den Kopf. »Ich möchte nicht so unförmig werden wie Belloni.« In Wirklichkeit aber wollte Giulia nicht, dass ihre Formen zu weiblich wurden. Wenn sie noch mehr ansetzte, würde der Brustgurt, mit dem sie ihren Busen bändigte, sie beim Singen zu stark einschnüren.
Eine halbe Stunde später wanderten Vincenzo und sie durch die engen Gassen Roms, um zu Galileis Wohnung zu gelangen. Der Lärm auf der Straße war ohrenbetäubend. Fliegende Händler boten ihre Waren an, Bettler klapperten lautstark mit Krücken und Bettelschalen, und die Pilger priesen Gott nicht weniger laut für die Gnade, das Zentrum der Christenheit wohlbehalten erreicht zu haben, während sie schmutzige Pflastersteine küssten, über die schon Cäsar und Kaiser Augustus gewandelt waren. Bald erspähte Giulia einen Pastetenhändler, an dessen Stand es herrlich duftete. Sie konnte der Verlockung nicht widerstehen und kaufte etwas von dem Backwerk. »Wenn das so weitergeht, muss ich mich wirklich vorsehen. Es gibt einfach zu viele gute Dinge in Rom.« Sie grinste Vincenzo an und biss herzhaft in eine noch warme Teigtasche.
Dieser drehte sich um und tippte mit dem Zeigefinger auf ihren Bauch. »Da passt noch einiges hinein, bis du die Figur deines Vaters erreichst. Und es gibt gewiss noch weitaus dickere Männer als ihn.«
Die unerwartete Berührung ließ Giulia zusammenzucken. Bisher hatte Vincenzo sie nur dann angefasst, wenn es unbedingt notwendig gewesen war, zum Beispiel, wenn sie über einen Pflasterstein gestolpert war oder Ähnliches, und selbst dann war er meist zurückgezuckt, als wenn er etwas Heißes angefasst hätte. Jetzt aber machte er Miene, als ob er sie vor Übermut kitzeln wollte, sich aber nicht traute, es wirklich zu tun. Sie betrachtete ihn mit schräg gelegtem Kopf und fand, dass er gut aussah. Wäre sie eine Frau, könnte er ihrer Gemütsruhe gefährlich werden.
Im gleichen Moment schalt sie sich eine Närrin. Sie war eine Frau, auch wenn sie es verleugnete. Vincenzo hatte ihr schon immer gefallen, doch jetzt spürte sie, dass sie mehr als nur eine gewisse Sympathie für ihn empfand. Während sie weitergingen, überlegte sie, ob sie ihn ins Vertrauen ziehen und sich ihm offenbaren sollte. Damit würde sie sich ihm jedoch vollkommen ausliefern, und das ließ die Mauer aus Misstrauen in ihrem Innern, die sie vor Jahren schon gegen jeden Menschen außer Assumpta und Beppo aufgebaut hatte, nicht zu. Sie konnte nicht abschätzen, wie Vincenzo auf ihr Geständnis reagieren würde, und sie wollte nicht das Risiko eingehen, ihre wunderbare Beziehung zu zerstören. »Ist es noch weit bis zu Meister Galileis Wohnung?«, fragte sie, um ihre Verlegenheit zu überbrücken. Vincenzo schüttelte lächelnd den Kopf. »Keine Sorge. Wir sind gleich in der Via del Macellaio.«
»In der Straße des Schlachters? Stinkt es dort nicht zum Himmel?« Giulia war sehr empfindlich, was Gerüche betraf. Gestank konnte ihr die Stimme verschlagen.
Vincenzo verstand, was sie meinte, und winkte fröhlich lachend ab. »Gott bewahre. Dort werden schon lange keine Tiere mehr geschlachtet. Die Straße hat nur ihren alten Namen behalten.«
Kurze Zeit später erreichten sie ein großes, braunes Gebäude mit kleinen Fenstern und einer umlaufenden Säulengalerie unter dem Dach.
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