Die Kastratin
seinen schwarzen Augen glühte ein düsteres Licht. »Ihr wart sehr gut«, lobte er Giulia. »Es ist ein Anfang gemacht, mehr nicht, aber wir haben einen Fuß in der Tür. Wenn Ihr geschickt seid, könnt Ihr die Huld der Kaiserin erringen. Das ist wichtig für uns, Casamonte, sehr wichtig.«
Der drängende Ton in seiner Stimme kratzte an Giulias Nerven, und daher fiel ihre Antwort schroffer aus als beabsichtigt. »Das will ich gerne tun. Aber weshalb ist das so wichtig?«
»Um die Fluten der Ketzerei einzudämmen, Casamonte. Seine Heiligkeit ahnt nicht, dass sie sich bereits wie ein fressendes Geschwür in Wien ausgebreitet hat. Wir müssen die Krankheit eindämmen und den Boden für eine vollständige Ausrottung des Übels bereiten.«
Während Piccolomini mit der geballten Faust unsichtbaren Feinden drohte, sah Giulia die Scheiterhaufen der Inquisition vor sich und schauderte.
Hilflos breitete sie die Arme aus. »Was verlangt Ihr von mir? Ich kann doch nur singen.«
»Wenn Gott es will, mein Sohn, wird deine Stimme zu einer mächtigen Waffe gegen die Ketzerei«, antwortete er in salbungsvollem Ton. Doch dann kehrte die kämpferische Anspannung in seine Stimme zurück. »Hört mir gut zu, Casamonte. Ihr werdet heute Abend singen, wie Ihr noch nie gesungen habt, um die Seele der Kaiserin, die jetzt noch wie ein Vöglein im eisigen Wind zittert, zu stärken und andere, irrende Seelen wieder dem Licht zuzuführen. Und jetzt geht. Konzentriert Euch ganz auf Eure Pflichten, und lasst Euch durch nichts ablenken.« Er winkte mit der Hand, um Giulia anzudeuten, dass sie entlassen war.
Giulia zögerte. »Verzeiht, Eure Eminenz. Doch ich hätte noch eine dringende Bitte an Euch.«
»Dann fasst Euch kurz.« Giulia sah Piccolomini an, dass sich seine Gedanken bereits mit anderen Dingen beschäftigten und ihre Gegenwart ihn störte. »Es geht um das Quartier, das man uns gegeben hat. Dort kann ich nicht bleiben.«
»Weshalb?«
»Es ist feucht und kalt und kann nicht geheizt werden. Ich habe Angst, dass meine Stimme dadurch angegriffen wird und ich nicht mehr singen kann.«
»Gott wird es verhindern«, antwortete Piccolomini in einem Ton, der jedes weitere Wort verbot.
Du musst ja auch nicht in diesem Loch hausen, dachte Giulia wütend. Ihr machten nicht nur die nassen Wände Sorgen, sondern vor allem ihre kurz bevorstehende Periode. Ohne Feuer würde Assumpta kaum in der Lage sein, die blutigen Binden unauffällig zu beseitigen. »Ich wünsche Euch noch einen gesegneten Tag.« Giulia verneigte sich vor Piccolomini und hatte dabei Mühe, ihren Zorn zu bändigen, der sich in ganz anderen Worten austoben wollte. Draußen vor der Tür winkte sie einen Bediensteten herbei, der sie mit kaum verhohlenem Abscheu zu ihrer Kammer führte.
Assumpta empfing Giulia mit einem erregten Wortschwall und machte dabei aus ihrer Abneigung gegen die Deutschen keinen Hehl. Für sie waren es ausnahmslos unfreundliche Stoffel mit schrecklichen Manieren. Ihr Quartier konnte man nur eine Schande nennen, und das Essen, das man ihnen gebracht hatte, war schlichtweg ungenießbar. »Wir hätten niemals in dieses kalte Land kommen dürfen. Hier wird Beppo niemals mehr richtig gesund werden«, schloss sie jammernd.
Beppo war ein weiteres Problem, das Giulia belastete. Der treue Alte hatte sich beim Übergang über die Alpenpässe erkältet. Da er früher niemals krank gewesen war, hatte er dem Schnupfen und dem Husten keine große Bedeutung beigemessen und Assumpta ausgelacht, die ihn mit Hausmitteln kurieren wollte. Mittlerweile rasselte seine Lunge wie ein alter Blasebalg, und er war kaum mehr in der Lage, aufzustehen. Die nasse Kälte des Zimmers war Gift für ihn. Da Piccolomini sie wie einen lästigen Bittsteller abgewimmelt hatte, beschloss sie, sich am Abend notfalls sogar an die Kaiserin persönlich zu wenden. Mit diesem Versprechen versuchte sie, Assumpta zu beruhigen.
Die Dienerin atmete sichtlich auf und lief in die Nachbarkammer, um nach ihrem Mann zu sehen. Giulia hörte sie leise auf Beppo einreden. Die Holzwände der Kammern waren so dünn, dass man nebenan und auch auf dem Flur jedes Geräusch vernehmen konnte. Das bedeutete, dass sie doppelt vorsichtig sein musste, auch wegen Vincenzo, der bei Beppo auf der anderen Seite der Wand schlafen würde. Giulia hoffte, dass sie wirklich jemanden fand, der ein offeneres Ohr für ihr Anliegen hatte als der päpstliche Gesandte. Mit einem tiefen Seufzer zog sie einen der beiden Schemel
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