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Die Kastratin

Die Kastratin

Titel: Die Kastratin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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Ketzerei ausrichten konnte, die sich am Kaiserhof ausgebreitet hatte, aber das war nicht ihre Sache. Gehorsam stand sie auf und stellte sich in Pose. Die Leute um sie herum begannen zu tuscheln. Da Giulia auf ihrer Reise genug von der deutschen Sprache aufgeschnappt hatte, wusste sie, was die gehässigen Worte, die hier fielen, zu bedeuten hatten. Papistische Missgeburt und verstümmelter Narr waren noch die harmlosesten Beleidigungen. Sie zwang sich, die Menschen um sich herum zu vergessen, und ließ den ersten Ton über ihre Lippen gleiten. Sofort verstummte das Gemurmel, und auf den breiten Gesichtern der Deutschen machte sich Erstaunen und Verwunderung breit. Dann trug der Klang der eigenen Stimme Giulia hinweg.
    Ihr Geist kehrte erst in die Gegenwart zurück, als der letzte Ton verklungen war und Maximilian  II . sie auf Latein ansprach. »Ihr habt ausgezeichnet gesungen.«
    Sie verbeugte sich vor dem Kaiser und musste unwillkürlich an dessen Schwester, die schöne Prinzessin Eleonora, denken, die mit dem buckligen Herzog Guglielmo Gonzaga, einem strengen Katholiken, vermählt worden war. Ob die hohe Dame glücklich gewesen war, in den Schoß der wahren Kirche zurückkehren zu können? »Eure Majestät sind zu gütig.« Giulia sprach ebenfalls Latein, das sie mittlerweile besser beherrschte als die meisten Kirchenmänner. »Mein Gemahl spricht aus, was auch ich denke.« Maria von Spanien, die Schwester Philipps  II . und Gattin Maximilians, trat auf Giulia zu und reichte ihr huldvoll die Hand zum Kuss. Diese Ehre wurde von den Zuhörern mit einem leisen Gemurmel quittiert, das anschwoll, als die Kaiserin eine Perlenbrosche von ihrem Gewand löste und sie dem vermeintlichen Kastraten als Belohnung reichte. »Nehmt dies, Casamonte. Ich hoffe, Eurer herrlichen Stimme noch oft lauschen zu können.«
    Giulia hörte aus diesen Worten heraus, dass Maria von Spanien wieder die Gesänge der Heiligen Kirche anstelle deutscher Ketzerlieder erklingen lassen wollte. Noch während sie sich erneut verbeugte und für das Geschenk dankte, spürte sie Piccolominis Hand auf ihrer Schulter. »Casamonte wird Euch stets zu Diensten sein, Eure Majestät.« Für die Kaiserin war es ein Versprechen, für Giulia jedoch ein Befehl, die hohe Dame nicht zu enttäuschen.
    Maria von Spanien nickte dem Gesandten freundlich zu. »Ich danke Euch, Monsignore. Es wäre mir wirklich eine Freude, Casamonte bei der Abendandacht singen zu hören.«
    Auch das war ein in freundliche Worte gekleideter Befehl, der allen kundtat, dass die Kaiserin die Abendmesse im gewohnten lateinischen Ritus zelebriert sehen wollte. Etlichen Leuten aus dem Gefolge ihres Gemahls schien das nicht zu gefallen, denn Giulia sah verärgerte, ja, sogar wütende Blicke auf sich gerichtet. Offensichtlich schrieb man ihr schon jetzt einen negativen Einfluss zu oder betrachtete sie einfach als Störenfried. Das versprach nichts Gutes für den weiteren Aufenthalt in Wien. Giulia war jetzt fest davon überzeugt, dass einer dieser Ketzer ihr und ihren Begleitern die miserablen Quartiere hatte zuweisen lassen, damit ihre Stimme darunter leiden sollte, und beschloss, das Thema am Abend nach der Messe bei einem Höfling oder einer Dame aus dem direkten Gefolge der Kaiserin anzusprechen. Vielleicht konnte auch Piccolomini ihr helfen. Immerhin hatte der Papst sie ihm anvertraut, und so musste eigentlich er dafür sorgen, dass sie besser untergebracht wurde.
    Der Gesandte beließ seine Hand auf ihrer Schulter und lenkte sie wie ein Pferd oder einen Esel zu seinen Gemächern. Er bewohnte ein geräumiges Zimmer in dem erst vor kurzem errichteten Schweizertrakt der Hofburg. An den getäfelten Wänden standen Möbel aus schwerem, dunklen Holz, und im Kamin loderte ein großes Feuer, das die kalte Nässe vertrieb, die sich nach fast einer Woche Dauerregen in den Gebäuden breit gemacht hatte.
    Giulia trat ans Feuer, um ihre klammen Finger zu wärmen, während Piccolomini sich auf einen lederüberzogenen Sessel setzte und mit angespanntem Gesicht ins Leere starrte, so als plagten ihn schwere Sorgen.
    Plötzlich hob er den Kopf und schlug mit der geballten Rechten in die linke Hand. »Die Lage ist noch stärker aus dem Ruder geraten, als wir befürchtet hatten.«
    Giulia sah ihn verwirrt an. »Ich verstehe nicht, was Ihr meint, Euer Eminenz?«
    »Vergesst diesen unbedachten Ausspruch, Casamonte.« Piccolomini verzog seine Lippen zu einem Lächeln, das eher einem Zähnefletschen glich, und in

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