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Die Kastratin

Die Kastratin

Titel: Die Kastratin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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meiner Kammer nehmen. Obwohl ich diese Strohschütte nicht gerade Bett nennen würde. In unserer Heimat schläft ja ein Esel besser.« Bei den letzten Worten stieß sie ein gekünsteltes Lachen aus, um eventuelle Lauscher in die Irre zu führen.
    Assumpta erkannte ihre Absicht und bleckte die Zähne. »Das werde ich tun. Ich werde ihm aber auch sagen, dass er gefälligst nicht schnarchen darf. Du hast einen zu leichten Schlaf und darfst morgen nicht übermüdet zur Heiligen Messe kommen. Es würde deiner Stimme schaden.«
    Die harmlos gemeinten Worte Assumpta ließen Giulia aufhorchen. Das hatte sie auch schon zu dem päpstlichen Gesandten gesagt. Jetzt aber wurde ihr klar, dass man mit der Einquartierung in diese Räume genau das bezwecken wollte. Sie erinnerte sich, diesen Graf Falkenstein heute bei der ketzerischen Morgenmesse gesehen zu haben. Er war einer von denen gewesen, die den Worten des Predigers mit sichtbarer Inbrunst gelauscht hatten. Hasste er sie, weil sie mit dem päpstlichen Gesandten gekommen war, und wollte von vornherein verhindern, dass sie mit ihrer Stimme das Aufsehen des Kaisers erregte?
    Wenn es so war, sollte er sich getäuscht haben. Giulia war nicht bereit, sich widerstandslos beiseite schieben zu lassen. Es gab genug Mittel, die Stimme zu schützen und zu kräftigen. Sie beschloss, Assumpta am nächsten Morgen zum Markt zu schicken, um Fenchelknollen, Salbei und Honig zu holen. Dann lachte sie über sich selbst. Sie würde es selbst tun müssen, da Assumpta sich nicht mit den Marktweibern verständigen konnte und wegen ihrer fehlenden Kenntnis der Landessprache Gefahr lief, sich zu verirren.
    Sie verabschiedete die treue Alte und verschloss sorgfältig die Tür hinter ihr. Da sie dem halb heraushängenden Riegel nicht traute, klemmte sie noch einen Stock gegen die Pforte und machte sich zum Schlafen zurecht. Assumpta schien sich wirklich große Sorgen um Beppo zu machen, dachte sie, denn bis jetzt hatte die Dienerin es sich noch nie nehmen lassen, ihr aus den Kleidern und dem lästigen Brustgurt zu helfen. Giulia kam aber auch allein zurecht. Bevor sie sich niederlegte, machte sie ihr Bett neu, denn sie wollte nicht unter den muffig riechenden Decken schlafen, die man ihr hingeworfen hatte. So legte sie ihre eigene Reisedecke auf den Strohsack und deckte sich mit ihrem großen Mantel zu. Mit einem Anflug von Humor sagte sie sich, dass sie in ihrem ganzen Leben noch nie unbequemer geschlafen hatte als am Hofe des mächtigsten Herrschers der Christenheit.

III .
    I n den nächsten Tagen sang Giulia während jeder Morgenandacht die ihr von Piccolomini vorgegebenen Choräle und Teile aus bekannten, wenn auch oft schon sehr altmodischen Messen, und spät am Abend tat sie ihre Pflicht bei der Kaiserin. Aber sie gewann weder Anerkennung noch Dank. Der päpstliche Gesandte ließ ihr seine Befehle meist durch einen Diener übermitteln und behandelte sie auch sonst nur wie ein notwendiges Übel. Vom Hofstaat erfuhr sie kalte Verachtung, und Vincenzo schien sie vergessen zu haben, denn er tauchte kein einziges Mal mehr auf. Auch in eigener Sache kam sie nicht weiter, denn niemand war bereit, ihre Klagen wegen der feuchten Zimmer auch nur anzuhören. Ihr einziger Lichtblick war die Tatsache, dass dem Kaiser ihr Gesang zu gefallen schien, denn er gönnte ihr hie und da einen freundlichen Blick und manchmal auch ein melancholisches Lächeln. Die meiste Zeit aber schien der Herr des Römischen Reiches deutscher Nation in düsteres Grübeln versunken zu sein und seine Umgebung kaum wahrzunehmen.
    Als Giulia schließlich versuchte, sich Seiner Majestät nach der Messe zu nähern, um ihn auf ihre untragbare Wohnsituation anzusprechen, traten Falkenstein und mehrere andere Höflinge dazwischen. »Du bist hier auf dem falschen Weg, Kastrat«, höhnte der Graf. »Ich habe eine dringende Bitte an seine Majestät.« Giulia bemühte sich, trotz des beleidigenden Tonfalls ruhig zu bleiben. »Der Kaiser hat etwas anderes zu tun, als sich mit einem Kretin wie dir zu befassen.« Falkenstein sagte es nicht einmal besonders laut, doch etliche der Umstehenden vernahmen es und stimmten in sein verächtliches Lachen ein.
    Giulia liefen die Tränen über die Wangen. Eine solch geballte Verachtung war ihr noch nie entgegengeschlagen. Gleichzeitig verwünschte sie sich selbst wegen dieses Moments weiblicher Schwäche, der einige Leute mit den Fingern auf sie zeigen ließ, und fühlte sich so hilflos wie nie zuvor. Mehr

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