Die Kastratin
natürlich auch auf Euch und Eure Bediensteten.«
Christoph von Württemberg schüttelte den Kopf. »Euer Angebot in Ehren, doch das geht nicht. Casamonte steht in den Diensten des Papstes und ist Piccolomini unterstellt. Ohne dessen Erlaubnis darf er die Hofburg nicht verlassen.«
»Aber Herr de la Torre …«, wandte Graf Koloban ein. »… steht zu seinem Glück nicht unter der Kuratel des päpstlichen Botschafters.« Der Herzog hob bedauernd die Arme und versuchte, Giulia zu trösten. »Ich werde auf Falkenstein einwirken, damit er Euch eine bessere Unterkunft zuweisen lässt.«
»Eure Hoheit sind zu gütig.« Giulia neigte den Kopf und fühlte sich um einiges besser. Es war angenehm, freundliche Menschen um sich zu haben. Während des Essens drehte sie sich mehrmals zu Vincenzo um. Doch dieser ignorierte sie jetzt hart-näckig und unterhielt sich mit Danilo Koloban über die Vergnügungen, denen sie hier in Wien nachgehen konnten.
V .
G iulia kehrte erst spät am Abend in die Hofburg zurück. Auch wenn Vincenzos böse Worte sie schmerzten, ging es ihr besser als in den letzten Tagen. Das Gefühl der Zufriedenheit verflog jedoch rasch, denn im Korridor fing ein Diener sie ab und erklärte ihr hochnäsig, dass sie auf der Stelle bei Monsignore Piccolomini zu erscheinen hätte. Zunächst ärgerte Giulia sich, weil der päpstliche Gesandte ihr auf diese Weise wieder einmal klar machte, dass sie für ihn nicht mehr war als ein Lakai, den man beliebig hin und her beordern konnte. In dem Hochgefühl des gerade erlebten Erfolgs nahm sie sich vor, Piccolomini ihren Unmut ins Gesicht zu schleudern, aber als sie in seinem Gemächer sein zorniges Gesicht auf sich gerichtet sah, wurde sie kleinlaut. »Wo wart Ihr, Casamonte? Schämt Ihr Euch nicht Eurer Pflichtvergessenheit? Ihre Majestät hat bei der Abendmesse vergebens auf Euch gewartet.«
Giulia hatte die Abendmesse bei der Kaiserin völlig vergessen. Schuldbewusst senkte sie den Kopf. »Ich war in der Stadt, Eure Eminenz, und habe nach einem Arzt gesucht. Mein Diener ist krank.« Sie hoffte, Piccolomini würde ihre Lüge nicht durchschauen, aber sie konnte ihm ja schlecht sagen, dass sie im Palais Koloban gesungen hatte.
Zu ihrem Glück interessierte der Gesandte sich nicht für den Grund ihrer Abwesenheit. »Ihr habt bei der Morgen- und der Abendmesse zu singen, ganz gleich, was geschieht. Das ist Eure heilige Pflicht. Jetzt geht und sorgt dafür, dass ich keine Klagen mehr höre, habt Ihr verstanden?« Er unterstrich seine Worte mit einer empörten Geste, die besagte, dass sie für heute entlassen war.
Giulia war so froh, ihm entkommen zu können, dass sie beinahe vergaß, sich vor ihm zu verbeugen. Sein ärgerliches Schnauben zeigte ihr, dass er ihre Verwirrung wohl bemerkt hatte. So war sie beinahe froh, in ihre feucht riechende Kammer zu schlüpfen und die Tür hinter sich verbarrikadieren zu können.
Assumptas leichter Schlaf machte es ihr möglich, am nächsten Morgen pünktlich zum Gottesdienst in der Hofkapelle zu erscheinen. Diesmal ließ Maximilian II . die Messe im lateinischen Ritus lesen. Giulia glänzte als Solosänger und versöhnte sowohl Kaiserin Maria wie auch Giancarlo Piccolomini. Den Rest des Tages blieb sie sich selbst überlassen, da Assumpta nicht von Beppos Lager wich. Am späten Nachmittag erschien ein sichtlich verärgerter Lakai und forderte sie kurz angebunden auf, ihm in die neue Unterkunft zu folgen. Die beiden Knechte, die er mitgebracht hatte, luden sich Giulias Reisetruhe auf und trotteten mit nichts sagenden Gesichtern hinter ihnen her.
Der Untergebene Falkensteins führte Giulia durch etliche Gänge in den Schweizertrakt, der erst vor wenigen Jahren unter Kaiser Ferdinand im italienischen Stil errichtet worden war, und öffnete eine schwere, mit kunstvoll ausgeführten Schnitzereien verzierte Tür. Das Gemach dahinter war ebenso geräumig wie das des päpstlichen Gesandten, mit dem Giulia nun beinahe Tür an Tür wohnte. Giulia schüttelte das unangenehme Gefühl ab, das sie bei dem Gedanken beschlich, und wandte sich erfreut dem großen, gemauerten Kamin an der Stirnseite zu, in dem ein kleines Feuer vor sich hinschwelte.
An der rechten Wand stand ein ebenfalls mit Schnitzereien verziertes Bett, aus dem üppige Federbetten herausquollen und dessen gedrechselte Säulen einen hölzernen Baldachin trugen, an der linken ergänzten ein Tisch mit vier Stühlen, zwei große Kleidertruhen und ein durch einen Paravent vom
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