Die Kastratin
Schwarzsehen, Freiherr Schwarzenburg. Das liegt wohl an Eurem Namen«, spottete Christoph von Württemberg und legte dem anderen den Arm um die Schulter.
Giulia verstand zu wenig deutsch und auch zu wenig von Politik, um die Bemerkungen der Leute um sie herum in voller Tragweite zu verstehen. Sie begriff jedoch, dass Männer wie der Herzog und Graf Koloban versuchten, die Gräben, die sich zwischen der päpstlichen Kirche und den Ketzern aufgetan hatten, wieder zuzuschütten, und wünschte ihnen von Herzen viel Erfolg. Aber sie musste auch daran denken, was Giancarlo Piccolomini gesagt hatte. Nichts von dem, was er in ihrer Gegenwart von sich gegeben hatte, ließ vermuten, dass der Papst und mit ihm die katholische Kirche sich auf Dauer mit den lutherischen Ketzern abfinden würden. Sie überlegte, ob sie den Württemberger darauf ansprechen sollte, und fragte sich im nächsten Moment, wem ihre Loyalität eigentlich galt, dem eigenen Glauben und dem Papst, in dessen Land sie unter einem seiner Vorgänger geboren worden war, oder einem Fremden, von dem sie nicht mehr wusste, als dass er freundlich zu ihr war und angenehme Manieren besaß.
Während sie noch stumm zuhörte und vor sich hinsann, öffnete sich die Tür und zwei verspätete Gäste traten ein. Giulia unterdrückte einen Ausruf der Erleichterung, als sie in einem der beiden jungen Männer Vincenzo erkannte. Er entdeckte sie nicht, sondern ließ sich von seinem Begleiter zu den Gastgebern führen und verbeugte sich fast übertrieben vor der Gräfin und dem Grafen Koloban. »Du überrascht mich, Danilo. Ich hätte nicht erwartet, dich hier zu sehen. Schließlich hast du mir gestern ja ausreichend klar gemacht, wie sehr es dich langweilt, wenn sich alte Männer über Religion und Politik unterhalten.« In Kolobans Stimme schwang ein leiser Spott mit, als er seinen jüngeren Bruder begrüßte.
Danilo Koloban verzog sein Gesicht zu einem breiten Grinsen. »Ich wollte dir einen Freund vorstellen, Ladislaus. Es ist Vincenzo de la Torre, der mit mir zusammen an der Universität in Padua studierte. Ich habe ihn heute zufällig in der Stadt getroffen und mitgebracht.« Er sah dabei aus wie ein junger Hund, der eben einen Knochen apportiert hatte und dafür Lob erwartete.
Graf Kolobans Miene drückte einen gewissen Zweifel aus. Trotzdem hieß er Vincenzo willkommen. »Ihr seid also der wilde Vincenzo. Mein Bruder hat mir schon viel von Euch erzählt.«
Vincenzo bedachte seinen Freund mit einem mörderischen Blick. »Könntet Ihr mit anderen Leuten sprechen, die das Vergnügen hatten, uns in Padua kennen zu lernen, würdet Ihr erfahren, dass viele der Streiche, die mir nachgesagt werden, von Danilo ausgeheckt wurden.«
Danilo schien fast ein wenig geschmeichelt zu sein, denn er klatschte Vincenzo lachend auf die Schulter. »Vincenzo, du bist ein schamloser Verräter.«
Giulia fragte sich, wer von den beiden der schlimmere Student gewesen sein mochte. Vincenzo hatte ihr einiges von seinen Jugendtorheiten erzählt, aber sie hatte ihn nur als vernünftigen, umsichtigen Menschen kennen gelernt, der keinerlei Unsinn im Kopf hatte. Danilo Koloban hingegen sah so aus, als würde er sein Leben noch immer in vollen Zügen genießen.
Graf Kolobans Aufseufzen bestätigte Giulias Eindruck. Er schenkte seinem Bruder jedoch keine größere Beachtung, sondern wandte sich wieder an Vincenzo. »Ich bedaure, dass mein Bruder Euch erst jetzt in mein Haus brachte. Ihr habt eben einen Kunstgenuss höchster Güte verpasst. Wir haben nämlich den berühmten Sänger Casamonte bei uns zu Gast.«
»Giulio ist hier?« Vincenzo wirbelte herum und starrte Giulia an, als könne er es nicht begreifen, sie hier zu sehen.
Der Graf hob verwundert die Augenbrauen. »Ihr kennt euch?«
»Wir sind seit etlichen Jahren Reisegefährten.« Vincenzo lachte fröhlich auf. Es schien ihn nicht zu interessieren, ob die enge Gemeinschaft mit einem Kastraten sein Ansehen schmälerte. »Dann seid Ihr glücklicher zu nennen als wir, die wir Casamontes Stimme wohl nur kurze Zeit lauschen werden können.« Ein trauriges Lächeln huschte über das Gesicht der Gräfin Koloban. Dann aber streckte sie sich und bat ihre Gäste zu Tisch.
Vincenzo eilte an Giulias Seite. »Wie bist du denn hierher gekommen?«
»Der Herzog von Württemberg hat mich eingeladen.«
»Der Ketzerführer?« Vincenzo war ehrlich erschrocken. »Sieh dich vor, Giulio. Wenn der Schwarzkittel das erfährt, bekommst du eine Menge
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