Die Kastratin
Zwiesprache mit der Muttergottes halten.«
Die Dienerin schüttelte energisch den Kopf. »Bitte tu du es für mich, Kind. Ich muss bei Beppo bleiben.«
Giulia nickte verständnisvoll und begleitete den Arzt ins Freie. »Sagt, gibt es denn keine stärkere Arznei für meinen Diener? Ich habe Eurem Gesicht angesehen, dass Ihr noch nicht von seiner baldigen Genesung überzeugt seid.«
Scharrnagl schüttelte betrübt den Kopf. »Das ist richtig, aber ich kann Euch nichts Besseres bieten. Meine Kunst ist zu begrenzt.«
»Vielleicht weiß ein anderer Arzt in Wien ein Mittel.« Noch während Giulia es sagte, hätte sie ihre Worte am liebsten zurückgenommen, denn sie wollte den Mann nicht kränken. »Natürlich könnt Ihr einen anderen Arzt hinzuziehen. Ich glaube jedoch nicht, dass der Euch helfen kann.« Scharrnagl verzog angewidert das Gesicht und sah sich um, ob jemand sie belauschen konnte. »Von den Kurpfuschern habt Ihr nichts anderes zu erwarten als Pulver aus Krötenaugen und Hühnerkot, in Jungfrauenpisse getauchte Brustwickel und Salben aus dem Fett von Gehängten. Das sind keine Heilmittel, die man einem Kranken zumuten sollte. Aber etwas anderes kennen diese Herren Doctores nicht. Ich bin als Kind von den Türken entführt worden und habe mehr als zwanzig Jahre meines Lebens als Sklave des Leibarztes von Selim Pascha verbracht. Dabei habe ich mehr gelernt, als die hiesigen Ärzte sich vorstellen können. Vor sieben Jahren wurde ich bei einem Angriff der Kaiserlichen befreit und praktiziere seitdem in Wien. Zuerst durfte ich es nur als Bader tun, wurde jedoch schon bald so bekannt, dass die Behörden mir erlaubt haben, als Arzt aufzutreten. Sie haben es nicht gerne getan, und meine Kollegen, wenn man sie so nennen kann, intrigieren noch immer gegen mich. Meine Patienten vertrauen mir jedoch, und das allein zählt für mich.« Scharrnagl machte dabei ein Gesicht, als hätte er schon zu viel gesagt.
Giulia senkte betroffen den Kopf. »Das tut mir Leid, Eure Sklaverei meine ich.«
Scharrnagl zuckte nur mit den Schultern. »Es war das Beste, was mir passieren konnte. Bei den Türken habe ich gelernt, dass Medizin nichts mit Aberglauben zu tun hat, sondern ein Handwerk darstellt, das man von der Pike auf lernen muss, wie alle anderen Berufe auch. Doch behaltet das, was ich Euch gesagt habe, für Euch. Man würde mir sonst einen Strick daraus drehen. Und damit Gott befohlen.« Mit diesen Worten verließ er Giulia und eilte mit langen Schritten davon.
Nachdenklich folgte sie ihm, bis die Türme des Stephansdoms ihr den Weg wiesen. Zu dieser Zeit waren nur wenige Gläubige in der Kathedrale, so dass sie sich ungestört ins Gebet versenken und darin zur Ruhe finden konnte. Ehe sie das Gotteshaus mit etwas leichterem Herzen verließ, legte sie etliche große Münzen in die Opferschale und lächelte dem Mönch zu, der neben ihr wachte, damit nicht die falschen Hände nach dem Geld griffen.
VI .
V incenzo fühlte sich nicht wohl in seiner Haut. Dabei ging es ihm so gut wie selten zuvor. Graf Koloban schenkte ihm eine mehr als großzügig zu nennende Gastfreundschaft, und sein Freund Danilo schleppte ihn von einem Vergnügen zum nächsten. Doch je mehr Ablenkung er suchte, umso schlimmer wurden seine Gewissensbisse. Ständig musste er gegen den Wunsch ankämpfen, zu Giulio zu eilen und ihn für seine unbedachten Worte um Verzeihung zu bitten. Aber der Gedanke an eine weitere kalte Abfuhr hinderte ihn daran. Dazu kam, dass er wenig Lust hatte, zufällig Graf Falkenstein zu begegnen, der ihn bei ihrem letzten Zusammentreffen verhöhnt und ihm ein sodomitisches Verhältnis mit dem Kastraten unterstellt hatte.
Nur das Auftauchen des Kaisers und einiger anderer Höflinge hatte Vincenzo davon abgehalten, dem Mann seinen Degen in den Wanst zu jagen. Die Beleidigung brannte seitdem wie Säure in seiner Seele, und er war sich sicher, dass Falkenstein diese Verleumdung fleißig unter die Leute brachte. Das spöttische Lächeln, mit dem ihn einige Hofschranzen bedachten, denen er außerhalb der Hofburg begegnete, zeigte ihm, dass etliche Leute Falkensteins Verleumdungen für bare Münze nahmen.
Zum Glück fiel Danilo Vincenzos verbissene Wut auf, die er jedes Mal an den Tag legte, wenn er einem von Falkensteins Bekannten begegnete. So reagierte er rasch genug, als dieser auf offener Straße die Waffe ziehen und auf den Grafen losgehen wollte, der hoch zu Ross die kaiserliche Kutsche begleitete. Danilo erkannte die Gefahr,
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