Die Kastratin
presste Vincenzos Schwerthand an seinen Körper und zerrte ihn in eine Seitengasse. Er musste den tobenden Freund gegen eine Hauswand pressen, um mit ihm fertig zu werden. »Verdammt, Vincenzo, hast du den Verstand verloren?« Er wies mit dem Kinn auf den hellen Spalt zwischen den eng beisammen stehenden Häusern, an dem gerade die kaiserliche Garde vorbeizog. »Du kannst doch nicht in Gegenwart des Kaisers die Waffe ziehen. Maximilian hat zu viele Feinde, und seine Leibwache schneidet jeden in Stücke, der auch nur eine falsche Handbewegung macht.«
Vincenzo schäumte. »Ich bringe diesen Falkenstein um! Hast du nicht gesehen, wie unverschämt er mich angegrinst hat? Es fehlt gerade noch, dass er mit den Fingern auf mich zeigt und mich öffentlich als Sodomiten bezeichnet.«
»Umbringen wird schwierig, wenn der Kerl nicht bereit ist, dir Satisfaktion zu geben. Wenn du ihn so aufschlitzt, wird man dich einen Kopf kürzer machen.«
»Der Kerl ist ein elender Feigling«, presste Vincenzo zwischen zusammengepressten Zähnen hervor.
Danilo nickte kühl. »Ich halte Falkenstein auch für eine Memme. Aber er steht nun einmal in der Gunst des Kaisers und wird sich bei Gefahr immer hinter diesem verstecken. Wenn du ihn treffen willst, musst du dir etwas anderes einfallen lassen.«
»Ich werde schon einen Weg finden, es dem Kerl richtig einzuschenken.« Vincenzo atmete tief durch, drückte Danilo von sich weg und schnippte symbolisch ein Stäubchen von seinem Wams. »Der wird noch bereuen, sich mit mir angelegt zu haben, das schwör ich dir.«
Danilo nickte und lotste seinen vor Wut zitternden Begleiter unauffällig zum Palais Koloban. Dort ließ er zwei Pferde satteln und forderte Vincenzo zu einem Ausflug in das nordwestlich von Wien gelegene Dorf Grinzing auf. Vincenzo folgte ihm wie ein Hündchen, entgegen Danilos Hoffnung besserte auch der spritzige Wein, der in den Schenken des Dorfes kredenzt wurde, seine Laune um keinen Deut. Als sie in die Stadt zurückkehrten und Danilo schon verzweifelt überlegte, wie er seinem Freund helfen konnte, gerieten sie in die Menschenmenge, die zur Zeit der Abendmesse in den Stephansdom strömten, und wurden regelrecht eingekeilt.
Danilo sah sich ungeduldig nach einer Lücke um, durch die er sein Pferd ohne Gefahr für die Gläubigen treiben konnte, und richtete sich überrascht im Sattel auf, als er eine Person erspähte, die er hier nicht erwartet hatte. Sofort stieß er Vincenzo an und machte ihn auf die Dame aufmerksam, die ein Gebetbuch umklammert hielt und sich auf eine stämmige Dienerin stützte. Sie trug einen weiten Mantel, der ihre Gestalt fast vollständig verhüllte. In dem Augenblick aber blähte ein Windstoß ihre Kapuze auf, und man konnte ein hübsches, junges Gesicht mit angespannt wirkenden Zügen darunter erkennen. »Da soll mich doch der Türk holen! Die Dame da ist Falkensteins Frau Rodegard. Wenn dieser Erzketzer wüsste, dass sich seine holde Angetraute in die Messe der römischen Schwarzkittel schleicht, würde er an seiner eigenen Wut ersticken.«
Vincenzo musterte die Frau. Seines Erachtens trieb sie weniger religiöse Inbrunst in die Messe als die Langeweile und der Trotz einer sich vernachlässigt fühlenden Gattin. In dem Moment wusste er, was er Falkenstein antun konnte. Mit einem bösen Lächeln stieg er aus dem Sattel und reichte Danilo die Zügel seines Pferdes. »Bitte nimm das Tier mit. Ich gehe zur Messe.«
Danilo grinste verständnislos. »Ist dein Sündenregister so angewachsen, dass du wieder einmal beichten musst?«
Vincenzo sah an sich herab und prüfte, ob seine Kleidung noch präsentabel war, strich sein verdrücktes Wams glatt und lachte dann wie befreit auf. »Dir würde es auch nichts schaden, deine Schandtaten vor Gott zu bekennen. Nur fürchte ich, es würde dem ehrwürdigen Priester, der es sich anhören muss, vor Entsetzen die Stimme verschlagen.«
»Jetzt tu doch nicht so, als seiest du der reinste Engel. Schließlich nannte man dich den wilden Vincenzo und nicht mich den wilden Danilo.« Dann starrte er Vincenzo mit zusammengekniffenen Augen an. »Hol mich doch dieser und jener! Du siehst wieder ganz so aus, als würdest du einen deiner verteufelten Streiche planen.«
Vincenzo prustete los, fing sich aber schnell wieder. »Rede nicht, sondern steig ab und komme mit, oder bring die Pferde in den Stall.«
Danilo sprang ab und sah Vincenzo herausfordernd an. »Du glaubst doch nicht, dass ich mir deinen nächsten Streich
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