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Die Kastratin

Die Kastratin

Titel: Die Kastratin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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Gastgeberin warf Giulia einen dankbaren Blick zu. »Das war eine beeindruckende Kostprobe Eures Könnens, Casamonte. Ich hörte davon, dass es der menschlichen Stimme möglich sein soll, Glas zum Bersten zu bringen, hielt es aber für eine Übertreibung. Ihr habt mich eines Besseren belehrt.«
    Falkenstein wollte auffahren, doch der eiserne Griff des Württembergers hielt ihn zurück. »Ihr seid hier zu Gast. Also benehmt Euch auch so oder verlasst das Haus.«
    Der Kammerherr knirschte mit den Zähnen, schüttelte dann mit einer heftigen Bewegung die Hand des Herzogs ab und verließ grußlos den Saal.
    Graf Koloban sah ihm achselzuckend nach. »Wegen seines Ranges musste ich ihn einladen. Doch ich gestehe, selbst ich sehe ihn lieber gehen als kommen. Bitte entschuldigt das peinliche Zwischenspiel und amüsiert Euch. Das Leben ist ohnehin ärgerlich genug.«
    Einige der Gäste lachten pflichtschuldig und taten so, als wäre nichts geschehen. Giulia sah jedoch, dass der Zwischenfall sie beschäftigte. Ein Mann in gediegener, aber nicht übermäßig aufgeputzter Kleidung trat auf den Herzog zu und sprach ihn mit besorgter Miene an. »Wenn der historische Ausgleich zwischen den Konfessionen scheitern sollte, wird es an solchen Leuten wie Falkenstein liegen«, hörte sie ihn sagen. Dann war die Gastgeberin bei ihr und bat sie, zu singen, um die Gedanken ihrer Gäste auf angenehmere Dinge zu lenken.
    Giulia begann mit einem witzigen französischen Chanson. Bei den ersten Takten vermisste sie Vincenzo mit seiner Laute. Sie hatten dieses Lied sonst immer gemeinsam vorgetragen. Doch ihr Begleiter war seit einigen Tagen nicht mehr zu ihr gekommen, und sie ärgerte sich, weil sie sich geradezu nach ihm sehnte. Ihre Stimme schlug die Menschen aber auch so in ihren Bann. So schob sie die störenden Gedanken beiseite und konzentrierte sich auf ihren Gesang. Für ihr Gefühl gelang es ihr diesmal erst sehr spät, doch das schien der Wirkung ihrer Lieder keinen Abbruch zu tun. Die Leute applaudierten und ließen sie hochleben, und als sie auf besonderen Wunsch der Gräfin Koloban einen christlichen Choral sang, kannte die Begeisterung der Gäste keine Grenzen mehr.
    Christoph von Württemberg eilte auf sie zu und schüttelte ihr die Hand. »Hervorragend, Casamonte. Wenn Ihr je den Dienst beim Papst verlassen wollt, dann kommt zu mir nach Stuttgart. Ihr werdet mir immer willkommen sein.«
    »Eure Einladung ehrt mich, Hoheit, aber …«
    »Ihr meint, weil Ihr ein Katholik seid und ich ein Lutheraner? Ich bin sicher, dass diese Unterscheidung nicht mehr lange zählen wird. Schließlich hat das Konzil in Trient Beschlüsse gefasst, die zwar nicht zu einer sofortigen Wiedervereinigung der beiden Konfessionen, aber zumindest zu einem freundschaftlichen Miteinander führen werden. Der Papst und der Kaiser werden für die Einheit der Christenheit sorgen müssen, denn sie haben mit den Türken einen gemeinsamen und, wie ich betonen muss, äußerst mächtigen und grausamen Feind. Wir müssen alle zusammen stehen, wenn wir nicht von den Heeren der Ungläubigen überrannt werden wollen.«
    Das Gesicht des Württembergers leuchtete bei diesen Worten fast von innen heraus. Giulia spürte, dass er sich an Hoffnungen klammerte, die die meisten hier im Raum, auch Graf Koloban, mit ihm teilten. Sie aber hatte in Rom erlebt, wie der Papst mit Ketzern umging, und empfand für einen Augenblick das gleiche Grauen wie damals auf der Piazza dei Fiori.
    Kolobans Gäste nahmen das Thema auf und lobten vor allem den Verzicht auf eine gewaltsame Rückbekehrung der Lutheraner, die in Ländern katholischer Herrscher lebten, als ersten, aber entscheidenden Schritt des großen Ausgleichs.
    Doch nicht alle sahen die Lage so optimistisch. Ein älterer Mann aus dem Gefolge eines der regierenden Kleinfürsten verzog das Gesicht, als spüre er Galle auf der Zunge. »Es ist nur ärgerlich, dass sich Friedrich von der Pfalz den Lehren Calvins zugewandt hat. Er schwächt damit unsere Position bei den Verhandlungen. Die katholischen Fürsten und Bischöfe sprechen bei aller Rivalität, die zwischen ihnen herrscht, mit einer Sprache, nämlich der des Papstes. Wir aber spalten die Reformation, indem wir uns als Anhänger Luthers, Zwinglis, Calvins und anderer Reformatoren bezeichnen, von denen jeder die alleinige Wahrheit mit Löffeln gefressen haben will. Ich prophezeie Euch, dass wir für diese Zerrissenheit einen fürchterlichen Preis zahlen werden.«
    »Ihr neigt zum

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