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Die Kastratin

Die Kastratin

Titel: Die Kastratin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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entgehen lasse. Sei aber bitte vorsichtig. Die Wiener Stadtbüttel können ganz schön eklig werden.«
    »Wer sagt dir denn, dass ich mich mit den Bütteln anlegen will? Ich habe wirklich nichts anderes vor, als mein Haupt vor Gott zu neigen und zu beten.«
    »Jedem anderen würde ich das glauben.« Danilo rief einen der Eckensteher und befahl ihm, die Pferde zum Palais Koloban zu bringen und sie dem Stallmeister mit einem schönen Gruß von Danilo Koloban zu übergeben. Der Mann grinste breit, denn er sah im Geist schon das reichlich fließende Trinkgeld vor sich, und führte die Tiere mit geübter Hand davon. Danilo schenkte ihm keinen zweiten Blick, sondern folgte Vincenzo durch das Singertor in den Dom. Zunächst wurde er arg enttäuscht, denn sein Freund tat wirklich nicht mehr, als still auf seinem Platz zu knien und scheinbar ergriffen der Messe zu lauschen. Bald jedoch bemerkte er die Blicke, mit denen Vincenzo immer wieder zum Gestühl der Frauen hinübersah, und begriff, dass sie der Gräfin Falkenstein galten. Danilo bekam eine gewisse Vorstellung von Vincenzos Plan und lauerte auf das, was da kommen mochte.
    Bis zum Ende der Messe geschah nichts. Als Rodegard von Falkenstein ihren Platz verließ und das Weihwasserbecken erreichte, wartete Vincenzo bereits lächelnd auf sie. Er schöpfte das Wasser mit der hohlen Hand und reichte es ihr. Zuerst zog sich ein abwehrender Ausdruck über das Gesicht der Frau. Ihr Blick aber schweifte über ihn, und ihre Miene hellte sich auf. Ein gut aussehender junger Mann in der Kleidung eines Edelmanns schien ihr wohl einer gewissen Aufmerksamkeit wert zu sein. Sie nahm das dargebotene Weihwasser mit einem freundlichen Lächeln an und berührte mit den Fingerspitzen seine Hand. »Ich danke Euch, mein Herr.« Es war nur der Hauch einer Antwort, aber Vincenzo hörte ihr Interesse heraus. »Ich danke Gott, weil er mich so etwas Schönes wie Euch erblicken lässt.« Vincenzo kannte die Wirkung seiner Stimme. Die meisten Frauen empfanden sie als sanftes Streicheln.
    Sie vernahm zunächst nur seinen Akzent und musterte ihn neugierig. »Ihr gehört zu den Gästen am Kaiserhof?«
    Vincenzo nickte und versuchte, seine Anspannung zu verbergen. »Leider habe ich Euch dort noch nie erblickt. Dabei würde ich Euch so gerne wiedersehen und Euch sagen, wie wundervoll Ihr seid.«
    »Da ich nicht im Dienst der Kaiserin stehe, bin ich nur selten am Hof zu Gast. Aber Ihr könnt mich morgen zur Zeit der Abendmesse in der Ruprechtskirche treffen.« Sie lächelte ihm verheißungsvoll zu, beugte noch kurz das Knie in Richtung des Altars und verließ so hastig den Dom, als sei sie auf der Flucht.
    Vincenzo folgte ihr und sah noch, wie sie zwei Schritt vor ihrer Dienerin über den Stephansplatz lief und in eine Seitengasse bog.
    Danilo trat neben ihn und schlug ihn auf die Schulter. »Vincenzo, du bist ein Teufel. Wenn es dir gelingt, Falkensteins Frau aufs Kreuz zu legen, triffst du ihn damit härter, als wenn du ihm den blanken Stahl in die Eingeweide rammen würdest. Das wird ein Spaß, sage ich dir. Es gibt keinen Mann, dem ich es mehr vergönne, zum Hahnrei zu werden, als diesem impertinenten Kerl.«
    Vincenzo funkelte ihn warnend an. »Noch ist es nicht so weit. Und wenn du es überall herumposaunst, wird es auch nie dazu kommen. Willst du, dass Falkenstein mir von seinen Knechten etwas Entscheidendes abschneiden lässt?«
    »Das, was deinem Freund Casamonte bereits fehlt«, rief Danilo kichernd. »Dann würdet ihr beide wenigstens zusammenpassen.« Erst im letzten Moment sah er Vincenzos Faust auf sich zuschnellen und sprang zurück, denn der Hieb hätte ihn sonst einige Zähne gekostet.

VII .
    D ie Nachricht von einem erneuten Einfall der Türken an der Ostgrenze ließ den Streit zwischen den papsttreuen Katholiken und den Protestanten am Kaiserhof fürs Erste verstummen. Kaiser Ferdinand, der Vater und Vorgänger Maximilians  II ., hatte noch vor seinem Tod einen Waffenstillstandsvertrag mit dem osmanischen Sultan abgeschlossen. Gerüchte aus dem Osten besagten jedoch, dass Süleiman der Prächtige bei seinem Eintritt ins Paradies seinem Propheten Mohammed den goldenen Apfel, wie die Türken Wien nannten, als Beute überreichen wollte.
    In der Hofburg herrschte daher rege Betriebsamkeit. Der Kaiser beriet sich stundenlang mit seinen Beratern, ließ Dutzende Briefe an alle befreundeten und verbündeten Monarchen und die deutschen Reichsstände schreiben und neben den protestantischen

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