Die Kastratin
allein.«
»Aber was ist, wenn man zu Hause merkt, dass ich alleine unterwegs bin, ohne meine Dienerin?«
»Darüber haben wir doch schon gesprochen. Du bist in Sankt Ruprecht, um für eine glückliche Rückkehr deines Gatten zu beten, und hast deiner Dienerin freigegeben, damit sie ihre kranke Mutter besuchen kann. Niemand wird Verdacht schöpfen.«
»Der arme Falkenstein. Bei der Muttergottes, es ist schon eine Sünde gegen ihn, dass ich überhaupt hier bin.«
Vincenzo erkannte, dass die Frau ihm zu entgleiten drohte, und schob nach kurzem innerem Kampf den Gedanken an Giulio, der ihn mehr als alles andere beschäftigte, beiseite. Mit einem in seinen eigenen Ohren gespielt klingenden Aufstöhnen riss er Rodegard von Falkenstein an sich und presste seinen Mund auf ihre Lippen. Seine rechte Hand wanderte über ihren Rücken bis zu ihren Pobacken und begann, diese sanft zu kneten.
Die Gräfin atmete schneller und erwiderte seine Küsse mit gleicher Heftigkeit. Ihre Leidenschaft schlug mit einer Schnelligkeit und Wildheit hoch, die auf lange Vernachlässigung schließen ließen. Vincenzo wurde davon überrascht und spürte, wie sein vorher schon allzu geringes Verlangen nach ihrem Körper schlagartig erlosch. Selbst die Vorstellung, nun seine Rache vollenden zu können, fachte sein Feuer nicht an. Wieder musste er an Giulio denken, der höchstwahrscheinlich hinter der Trennwand saß und dem Ganzen zusehen musste, und schämte sich. Verzweifelt versuchte er, sich an seine Wut und seinen Hass auf den Ehemann der sich unter seinen Händen genussvoll windenden Frau zu erinnern und sich auf das zu konzentrieren, was er tun musste. Doch seine Lenden blieben kalt. Heute war er zu weit gegangen, das wurde ihm mit einem Mal sehr deutlich klar. Wenn er sein Spiel mit der Gräfin bis zum bitteren Ende weitertrieb, würde er seinen sensiblen Freund Giulio demütigen und ihn endgültig verlieren.
Mit wachsendem Entsetzen stellte Vincenzo fest, dass ihn der Gedanke an den Kastraten unfähig zur körperlichen Liebe zu machen drohte, und er bäumte sich gegen diese Vorstellung auf. Nein, er durfte jetzt nicht versagen, denn dann würde er niemals mehr den weichen Körper einer Frau genießen können. So erwiderte er die Küsse der Gräfin mit einer Leidenschaft, von der er innerlich weiter entfernt war als je zuvor in seinem Leben, und betete darum, dass sein widerstrebendes Glied ihm nicht den Dienst versagen würde.
Während Vincenzo die Frau mit seltsam ungeschickten Händen entkleidete und ihr damit das Gefühl gab, vor Verlangen fast toll zu sein, saß Giulia starr vor Abscheu auf ihrem Stuhl. Sie erinnerte sich an eine ähnliche Szene vor Jahren in Mantua, in der Paolo Gonzaga seine Rache an einem Mann ebenfalls an dessen Ehefrau vollzogen hatte, und fragte sich, ob Vincenzo die Gräfin Falkenstein zu jenen abscheulichen Dingen zwingen würde, die Gonzaga von Leticia Pollai verlangt hatte.
In diesem Augenblick hasste Giulia Vincenzo mit einer Inbrunst, die sie fast verzehrte. Gleichzeitig fühlte sie den brennenden Wunsch, hinauszustürmen und der Gräfin die Augen auszukratzen. Sie starrte Rodegard von Falkensteins üppig schwellende Formen an und fragte sich, ob es das war, was die Männer anzog. Gegen diese Frau empfand sie sich als zaundürr und fragte sich mutlos, ob je ein Mann an ihr Gefallen finden würde. Die Antwort, die sie sich selbst gab, war so niederschmetternd, dass sie sich glücklich schätzte, als Kastrat zu gelten.
Unterdessen war es den flinken Fingern der Gräfin gelungen, dem vorher noch schlaffen Glied Vincenzos die nötige Härte zu verleihen. Sie ließ sich schwer auf das Bett fallen und spreizte erwartungsvoll die Beine. Vincenzo, der jetzt wenigstens einen Hauch von Verlangen spürte, warf sich auf sie und drang heftig in sie ein.
Giulia schloss die Augen und presste die Hände auf die Ohren, um nichts mehr hören oder sehen zu müssen, doch die Geräusche ließen sich nicht ganz ausblenden, und ihre Phantasie machte alles umso schlimmer. Vor ihrem inneren Auge sah sie das Paar sich eng umschlungen über das Bett wälzen, und in ihrem Kopf hallten brünstige Schreie. Am liebsten wäre Giulia aufgesprungen und davongerannt. Dazu hätte sie jedoch den vorderen Teil des Raumes durchqueren und dabei ganz nah an dem schamlosen Paar vorbeigehen müssen. Das brachte sie nicht fertig. Jetzt hasste sie Vincenzo nicht nur aus ganzem Herzen, sondern verachtete ihn überdies noch. Er war genauso ein
Weitere Kostenlose Bücher