Die Kastratin
Tier wie die anderen Männer, immer nur danach strebend, seinen Geschlechtstrieb auszuleben.
Gleichzeitig machte ein Teil ihrer selbst ihr erbarmungslos klar, dass sie an dieser Situation nicht ganz unschuldig war. Sie hatte Vincenzo all die Jahre belogen und hinters Licht geführt und ihn damit zu einer für ihn unwürdigen Eskapade getrieben. Hätte sie ihm vertraut und sich ihm offenbart, wäre sie es, die dort liegen und unter seinen Berührungen wohlig erschauern würde, und nicht diese fette, deutsche Kuh. Für einen Augenblick gab sie sich ganz der Vorstellung hin, Vincenzos Körper auf dem ihren zu spüren, zuckte aber zusammen, als sie das Kribbeln spürte, das sich von ihrem Busen und ihren Schenkeln aus über ihren ganzen Körper breit machte. Angeekelt fragte sie sich, ob sie nicht genauso schlecht war wie die Gräfin, die die Abwesenheit ihres Gatten nutzte, um in fremde Betten zu schlüpfen.
Giulia ahnte nicht, dass dieser Liebesakt für Vincenzo nur harte Arbeit war, an der er keine Freude mehr empfand. Viel zu früh für den Geschmack der Gräfin entlud sich sein Glied in einem für ihn wenig befriedigenden Orgasmus.
Während er keuchend zur Seite rollte, stemmte die Gräfin sich auf ihre Ellbogen und funkelte ihn an. »Man sagte mir, Italiener wären feurige Liebhaber. Doch bei Euch, mein Herr Vincenzo, scheint dieses Feuer arg klein geraten zu sein.«
Ihre Miene unterstrich die Verachtung, die aus ihren Worten sprach, und sie ließ ihn deutlich spüren, dass sie sich für die Gefahr, der sie sich ausgesetzt hatte, nur unzureichend entschädigt sah.
Vincenzo stand seufzend auf, schlüpfte in seine Hosen und half ihr, aufzustehen. Für einen Moment sah es so aus, als wolle sie ihn wieder aufs Bett ziehen und ihn mit ihren zu Krallen gespreizten Fingernägeln zwingen, ihr Verlangen zu stillen. Dann sah sie seinen abweisenden Gesichtsausdruck und spie äußerst undamenhaft vor ihm aus. Dennoch ließ sie sich von ihm in ihre Kleider helfen und lauschte den Zärtlichkeiten, die er der Sitte gemäß in ihr Ohr flüsterte. Nur Giulia bemerkte, dass Vincenzo dabei weniger die Gräfin ansah als die geflochtene Trennwand, hinter der sie saß. Sie konnte seinem Gesicht ablesen, dass er seine Rache nicht sonderlich genossen hatte. Er wirkte so, als stieße ihn das, was er getan hatte, im Nachhinein ab. Oder war es nur seine Verachtung für die Frau, die auf seine Verführungskünste hereingefallen war? Giulia hatte genügend Bemerkungen von anderen Männern aufgeschnappt, um zu wissen, dass sie die Schuld für ihre Sünden im Nachhinein den von ihnen vorher so umworbenen Frauen in die Schuhe schoben. Sie hatte gehofft, Vincenzo würde sich als besserer Charakter erweisen, und fühlte sich von ihm enttäuscht. Als Vincenzo und Rodegard von Falken-stein das Haus verließen, hielt auch sie es nicht länger hier aus. Gegen ihre Tränen kämpfend lief sie eine Weile ziellos durch die Straßen, bis ihre Enttäuschung glühendem Zorn gewichen war.
Als Vincenzo in das kleine Haus in der Korngasse zurückkehrte, verrieten ihm nur der leer gegessene Teller und der halb volle Becher Wein, dass Giulio da gewesen war und alles miterlebt hatte. Ursprünglich hatte Vincenzo nach vollbrachter Tat mit dem Erfolg seiner Rache vor seinem Freund prahlen wollen. Doch jetzt wünschte er, er könne alles rückgängig machen. Während es Falkensteins Frau nicht gelungen war, seine Lust zu entfachen, flammte seine Begierde allein bei dem Gedanken an Giulio auf. Er sehnte sich nach der Nähe des Kastraten, danach, dessen Haut auf der seinen zu spüren und seinen feinen, fast weiblichen Duft einzuatmen.
Es war eine Todsünde, jemand zu begehren, der als Mann geboren wurde, doch Vincenzo war in diesem Augenblick bereit, alle Strafen der Hölle auf sich zu nehmen, wenn er Giulio nur einmal besitzen könnte. Die Erfüllung seines Wunsches aber hatte er sich mit seiner unbedachten Handlung, Giulio zum Zeugen seines Triumphes über Falkenstein machen zu wollen, wohl für immer verbaut. Vincenzo senkte den Kopf, schlich mit hängenden Schultern aus dem Haus und kehrte in die nächste Schenke ein, um im Wein Vergessen zu finden.
IX .
I n der Hofburg suchte Giulia sofort ihre Kammer auf und warf sich aufs Bett. Unterwegs hatte sie beschlossen, Vincenzo nicht mehr zu kennen, selbst wenn er ihr im Palais Koloban oder an einem anderen Platz über den Weg laufen würde. Sie wollte ihn vergessen und die Jahre mit ihm als ferne Erinnerung ganz
Weitere Kostenlose Bücher