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Die Kastratin

Die Kastratin

Titel: Die Kastratin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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Informa-tion brennt mir auf der Seele.« Der Graf bedankte sich noch einmal bei Giulia, versicherte ihr, dass sie nun unbesorgt sein könne, und klingelte nach einem Lakaien, der sie hinausbegleiten sollte. »Gute Nacht, Erlaucht.« Giulia verbeugte sich erleichtert und folgte dem Diener, dessen Gesicht keinerlei Neugier wegen des nächtlichen Besuches verriet. Als sie in die Vorhalle traten, schlug draußen der Türklopfer dreimal an, und der Pförtner schoss aus seiner Kammer, als hätte er auf einen bestimmten Gast gewartet. Einen Augenblick später trat Vincenzo in die Halle. Er trug ein kostbares Wams aus senffarbener Seide mit dunkelblauem Ärmelfutter, ein mit einer Reiherfeder geschmücktes Barett und hautenge hellrote Hosen mit dunkelrot abgesetzter Schamkapsel. Er sah so gut aus, dass Giulia unwillkürlich der Atem stockte. Jetzt erkannte er sie, schien sich aber nicht so recht im Klaren darüber zu sein, ob er sich freuen oder die Begegnung bedauern sollte.
    Giulia ärgerte sich über sein widerstrebendes Mienenspiel und wollte mit einem knappen Gruß an ihm vorbeigehen. Doch da lachte er plötzlich auf und hielt sie fest. »Das ist aber eine Überraschung, Giulio. Ich wollte dich nämlich morgen auf-suchen.«
    »Aufsuchen. Warum? Um zu sehen, wie es Beppo geht?«
    »Ist er immer noch krank?« Vincenzos Stimme klang ehrlich betroffen. »Das tut mir Leid. Aber ich wollte nicht wegen ihm kommen, sondern dich für morgen Abend einladen.«
    »Wenn du es wünschst, gerne.« Giulia glaubte, er wolle irgendwo in Ruhe mit ihr sprechen, um ihr gutes Verhältnis wiederherzustellen. Gleichzeitig wunderte sie sich jedoch über das un-stete Flackern in seinen Augen.
    »Ich würde mich über deinen Besuch freuen. Komm bitte morgen Abend in die Korngasse. Ganz am Ende findest du ein kleines Haus, das meinem Gastgeber, dem Grafen Koloban, gehört. Es ist unbewohnt, aber mein Freund Danilo verwendet es manchmal für kleine Feste und hat es mir jetzt zur Verfügung gestellt.«
    Giulias Laune sank sofort wieder. »Soll ich dort vor deinen Gästen singen?« Vincenzo schüttelte vehement den Kopf. »Nein, nein, ich habe keine Gäste eingeladen, oder sagen wir besser, nur einen.« Er zog Giulia näher an sich heran, damit er leiser sprechen konnte. »Ich werde mich an Falkenstein rächen und will, dass du meinen Triumph miterlebst. Aber du musst ganz still sein, denn mein Besucher darf dich nicht bemerken, verstehst du.«
    »Eigentlich nicht …«
    »Dann verstehst du es morgen. Hauptsache, du folgst meinen Anweisungen. Es ist sehr wichtig für mich, dass du kommst.«
    Giulia nickte, ohne zu begreifen. Unterdessen fuhr Vincenzo in seiner Erklärung fort. »Das Haus hat nur zwei Zimmer. Das größere enthält einen Raumteiler aus Latten, hinter dem man alles mitbekommen kann, was vorne geschieht. Dahinter wirst du dich verbergen und dich nicht bemerkbar machen, egal, was auch geschieht. Hast du mich verstanden?«
    »Verstanden schon, aber ich bin mir nicht sicher …«
    »Kein aber«, unterbrach Vincenzo sie scharf. »Entweder du tust, was ich dir sage, oder du brauchst erst gar nicht zu kommen.«
    Giulia starrte ihn hilflos an, wollte aber in Gegenwart der beiden Lakaien nicht mit ihm streiten. Sein angespanntes Gesicht verriet ihr, wie viel ihm an ihrem Besuch lag. »Also gut, ich komme«, wisperte sie ihm zu und schlüpfte durch das Tor, das ihr der Lakai öffnete.
    Vincenzo sah ihr nach und spürte sofort Gewissenbisse. Er wusste allzu genau, wie überempfindlich dieser Nichtmann reagierte. Dann aber ballte er die Fäuste. Giulio musste endlich erwachsen werden. Die Lektion, die er ihm am nächsten Tag erteilen wollte, würde diesem mimosenhaften Kerl nur gut tun. Bei dem Gedanken an das, was er vorhatte, begann er zu grinsen. Es war ihm endlich gelungen, Rodegard von Falkenstein zu einem heimlichen Rendezvous zu bewegen, und er würde nicht eher nachgeben, bis er sein Ziel erreicht hatte. Irgendetwas in ihm fragte sich jedoch, ob es wirklich nötig war, Giulio als Zuschauer hinzuzuziehen. Es würde den Kastraten, der ja der körperlichen Liebe nicht mehr fähig war, verletzen, Zeuge einer Verführung sein zu müssen. Vincenzo hasste sich mit einem Mal wegen seiner inneren Zerrissenheit und sagte sich zum wiederholten Male, dass Giulio die Schuld an ihrem Zerwürfnis trug und diese Strafe verdient hatte. Trotzdem fühlte er sich so schlecht, dass nur sein Hass auf Falkenstein ihn daran hinderte, das Stelldichein mit dessen

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