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Die Kastratin

Die Kastratin

Titel: Die Kastratin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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bei seiner Arbeit ächzte und stöhnte und laut über das Wetter schimpfte, und steckte ihm einige Münzen zu, damit er endlich still war. Seinem Bückling und dem breiten Grinsen zufolge schien der Mann mit seinem Trinkgeld sehr zufrieden zu sein.
    Als sich auch die Totengräber ins Trockene zurückgezogen hatten, legte Assumpta ihre Blumen auf den kleinen Erdhügel, unter dem ihr Mann begraben lag, und sprach ein Gebet in ihrer Muttersprache. Giulia faltete die Hände und betete so inbrünstig mit, dass sie nicht auf ihre Umgebung achtete. Daher zuckte sie zusammen, als plötzlich eine dritte Stimme in die Worte mit einfiel. Sie drehte sich um und sah Vincenzo hinter sich stehen, der trotz des schlechten Wetters barhäuptig und nur mit Hemd und Hose bekleidet erschienen war und mit brennenden Augen auf das Grab starrte. Als die letzte Strophe des langen Gebets verklungen war, umarmte er Assumpta stumm und blickte Giulia dabei mit dem Blick eines geprügelten Hundes an. »Ich habe erst vorhin die Nachricht von Beppos Tod erhalten. Wenn ich gewusst hätte, wie schlimm es um ihn steht, wäre ich früher gekommen.«
    Giulia glaubte, einen leisen Vorwurf in seiner Stimme zu hören, und verzog ärgerlich das Gesicht. »Beppo schien schon auf dem Weg der Besserung zu sein. Niemand konnte ahnen, dass er in dieser Nacht sterben würde.«
    Vincenzo streckte die Hand nach Giulia aus, wagte aber nicht, sie zu berühren. »Du bist mir immer noch böse, ja? Ich wollte schon die ganze Zeit zu dir kommen und dich um Vergebung bitten. Aber ich hatte Angst, du würdest mich zurückweisen.«
    Das klang so verzweifelt und ehrlich, dass Giulias Unmut gegen ihren Willen schwand. Sie warf den Kopf in den Nacken und sah ihn an, konnte aber seinem flehenden Blick nicht standhalten. Er sah wirklich elend aus. Abgerissen, mager und mit tief in den Höhlen liegenden Augen wirkte er selbst wie jemand, der eine schwere Krankheit durchgemacht hatte. Giulia vermutete zwar, das sein Äußeres eher von zu viel Alkohol und zu wenig Schlaf herrührte, aber es war nun einmal die Art der Männer, im Wein Vergessen zu suchen. Ihr Verstand hielt ihr die erlittene Demütigung vor, ihr Herz aber schlug so stark für ihn, dass sie ihm die Hände entgegenstreckte. »Tu mir so etwas nie wieder an, sonst sind wir endgültig geschiedene Leute«, sagte sie, wusste dabei aber selbst nicht, ob sie ihn warnen wollte, sie noch einmal in eine kränkende Situation zu bringen, oder ob sie von ihm verlangen wollte, sich von anderen Frauen fern zu halten.
    Assumpta sah Giulia an und schüttelte unwillig den Kopf. Dann trat sie auf Vincenzo zu und begrüßte ihn mit sichtlicher Erleichterung. »Es ist schön, dass Ihr wieder bei uns seid, Herr Vincenzo. Ich hatte Angst, Giulio und ich müssten von nun an alleine reisen.«
    Vincenzo lächelte jetzt geradezu fröhlich und klopfte ihr auf die Schulter. »Keine Sorge, ich passe schon auf euch beide auf. Danilo hat mir berichtet, dass München eine hübsche, kleine Stadt sein soll. Sie wird uns sicher gefallen.«
    Mit einem Mal hatte auch für Giulia die Reise nach München ihre Schrecken verloren. Es war, als würde sie aus einem Albtraum erwachen und feststellen, dass draußen die Sonne scheint. Sie sandte Beppo in Gedanken noch einen letzten, wehmütigen Gruß und verbannte alle bösen Vermutungen über seinen Tod in den hintersten Winkel ihres Gedächtnisses. Jetzt galt es, sich der Zukunft zu stellen.
    Als sie in die Hofburg zurückkehrten, wurden auf dem Schweizerhof bereits die Reisewagen des bairischen Herzogs beladen. Es war der letzte, sichtbare Beweis, dass ihre Zeit in Wien zu Ende ging.
    Keiner der drei bemerkte Baron Falkenstein, der ihnen mit hasserfüllten Augen nachstarrte. Der Kammerherr hatte mittlerweile von den Gerüchten erfahren, die sich um seine Frau und Vincenzo rankten, und er schwor ihm und dem Kastraten blutige Rache.

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    Sechster Teil
  
    Vincenzo
    I .
    G iulia öffnete den Wagenschlag und blickte nach Süden. Endlich gab es vor ihnen keine hohen Berge mehr, deren Anblick sie zuletzt mehr und mehr bedrückt hatte. Unter ihnen lagen das blaue Glitzern des Gardasees und dahinter die weite, vom Po durchflossene Ebene. Eigentlich hätte sie glücklich sein müssen, wieder in vertrauten Gefilden zu sein und die kalten Länder des Nordens weit hinter sich zu wissen.
    Sie musste jedoch an Beppo denken, der nun schon viele Monate in fremder Erde ruhte. Nach seinem Tod war Assumpta zu einer alten

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